Diese Welt anerkennen

Axel Honneth geht mit seinem zweiten Hauptwerk „Das Recht der Freiheit“ auf Abstand zur Kritischen Theorie

Von Nicklas BaschekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nicklas Baschek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt nicht allzu viele Bücher in Soziologie und Philosophie, bei denen man schon nach dem Lesen weniger Sätze sicher ist, dass sie tatsächlich Spuren hinterlassen und auch noch in Jahrzehnten zumindest in den universitären Seminaren Argumente liefern wie auch Fragen aufwerfen werden. Bei Axel Honneths Buch „Das Recht der Freiheit“, 630 immens gelehrten Seiten, darf man sich da sicher sein. Dies liegt zum einen freilich an der akademisch beeindruckenden Biografie Axel Honneths. Zum anderen ist es die ehrgeizige Idee, von der Honneth sich leiten lässt und die dabei in ideengeschichtlicher Perspektive kaum eine Kernfrage von Soziologie und Sozialphilosophie auslässt.

Honneth nimmt mit einigen kritischen Seitenblicken in seine intellektuelle Nachbarschaft in Frankfurt den Ausgang von der These, dass die zeitgenössische politische Philosophie in ihrer Fixierung auf die Herleitung normativer Prinzipien die Gesellschaftsanalyse insgesamt vergessen habe. Diesem Defizit nun möchte Honneth abhelfen, indem er seine Rekonstruktion der normativen Prinzipien von Freiheit und Gerechtigkeit auf dem Boden einer Analyse der Gegenwartsgesellschaft leistet. Im Begriff der Freiheit findet Honneth das Herzstück aller neuzeitlichen ethischen Orientierungen, auch der Begriff der Gleichheit sei letztlich nur ein Einfordern dieser Freiheit des Individuums für alle. Aus und auf diesem Grund errichtet der Autor daher sein Ideengebäude, in dem die Frage, ob eine herrschende Ordnung nun die individuelle Freiheit befördert oder einschränkt, als Fluchtpunkt dient. Die Gerechtigkeit der Gesellschaft bemisst sich dann daran, inwiefern diesem Ideal in den verschiedenen Sozialsphären wie Wirtschaft, Politik und Intimbeziehung entsprochen wird.

Wie schon in seinem ersten Hauptwerk „Der Kampf um Anerkennung“ wählt er dabei den Weg über die Philosophie Hegels. Honneth hatte damals Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns sinnvoll ergänzt um die Dechiffrierung dessen, was da eigentlich auf dem Spiel steht, worum es im Zwischenmenschlichen überhaupt geht: Nämlich Anerkennung im Sinne des Bemerktwerdens, des Bejahtwerdens und des sich auf den anderen Einlassens. Der Andere hat normative Ansprüche, die nicht wegzuwischen sind: Diesen Begriff der Anerkennung holte sich Honneth in der Rekonstruktion der Hegel’schen Frühschriften, in denen der Terminus als kluge Entgegnung zu den Gesellschaftsvertragstheorien ins Spiel gebracht wurde. Demnach braucht es mehr als einen angenommenen zweckrationalen Akteur, um die Entstehung sozialer Ordnung als bewusste Unterwerfung zur Vermeidung höchster Gefahr für Leib und Leben zu denken. Hegel betätigte sich als der bessere Soziologe und betonte die entscheidenden Grunderwartungen an die Akzeptanz der eigenen Person, um überhaupt die Figur des Vertrages komplex denken zu können. Die naive Modellierung des Hobbes’schen Tausches von Freiheit gegen Sicherheit wurde so zu einem ungleich komplexeren Problem zwischen Menschen, denen es um mehr geht als bloße leibliche Unversehrtheit.

Ideengeschichtlich wird diese „Soziologisierung“ der politischen Philosophie mit den Mitteln Hegels für Honneth greifbar durch eine Abkehr vom dominanten, formalistischen Kantianismus. Und tatsächlich gelingt Honneths Rekonstruktion der neuzeitlichen Ideengeschichte zum Freiheitsbegriff herausragend. Dabei unterscheidet er pointiert zwischen drei verschiedenen Stufen, nämlich einer rein negativen Freiheit, die lediglich die Abwesenheit eines Eingriffs von Außen meint sowie einer reflexiven, die darauf abhebt, das nur frei ist, wer sich auch tatsächlich und vernünftig von den eigenen Absichten leiten lässt. Bei Kant nimmt dies die Gestalt einer Pflichtethik an, in der nur jener frei ist, der seine eigenen Handlungen an der Idee der Verallgemeinerbarkeit ausgerichtet hat, bei Theoretikern wie Herder hingegen steht weniger diese Form der Autonomie als vielmehr der Gedanke der Authentizität im Mittelpunkt, als Verwirklichung des je Eigenen. Entscheidend für beide Fassungen der reflexiven Freiheit ist also die Betonung der Notwendigkeit der Introspektion und die Unterscheidung verschiedener Formen der Motivation und Begründung einer Handlung. Auch die kommunikationstheoretische Umschrift der Kantischen Philosophie bei Habermas und Apel stellt für Honneth eine solche Form der reflexiven Freiheitsethik dar, sie weist jedoch schon einen Schritt in Richtung der „sozialen Freiheit“, der dritten Stufe, weiter. Hierauf zielt die Honneth'sche Intervention ab, indem sie die Äußerlichkeit der negativen Freiheit und die Innerlichkeit der reflexiven um eine Konzeption der rechten Einrichtung des Sozialen zu ergänzen sucht. Demnach muss auch die soziale Wirklichkeit in all ihren Institutionen als eng verbunden mit dieser Frage betrachtet werden.

Institutionen wie Freundschaft, Liebe, aber auch der Markt dienen Honneth dabei als Beispiele, um zu zeigen, dass die faktisch vorfindbare Realität vielmehr gerade eine Verwirklichung, eine Materialisierung der ethischen Einsprüche der Freiheit sind. Die objektive Wirklichkeit muss demnach selbst, zumindest idealerweise, auch frei sein. Eine noch so freie Orientierung an meinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen nämlich fällt ins Bodenlose, wenn sie nicht gleichsam die Möglichkeit zur objektiven Verankerung und zur institutionellen Anerkennung bieten.

Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel gleichgeschlechtlicher Partnerschaften: Erst die faktische Anerkennung des Rechts zur Freiheit und die Garantie der völligen Gleichberechtigung, erst die feste Institutionalisierung über die Möglichkeit zur Heirat wie zur Familiengründung kann die tatsächliche „soziale Freiheit“ erreichen. Die bloße Abwesenheit des Verbots markiere bloß ein völlig verengtes Verständnis von Freiheit wie Gerechtigkeit. Schlussendlich müssen die gesellschaftlichen Institutionen selber gedacht werden als Verwirklichung meiner Freiheit durch die „Ergänzung“ durch den anderen. Anders formuliert: Alleinsein allein macht nicht frei. Der andere wird gerade zur Voraussetzung meiner Freiheit – und umgekehrt. Hier stellt sich Honneth selbst geschickt zwischen die Debatte von Kommunitarismus und Liberalismus und zeigt, dass auch und gerade das vehemente Bejahen der individuellen Freiheit noch nicht genügt. Vielmehr verwirklicht sich Freiheit erst im Miteinander. Diese Einsicht scheint deutlich konsequenter – und argumentativ leichter zu halten – als die Habermas’sche Überforderung des Kommunikationsbegriffs. Um es mit Niklas Luhmann zu sagen: Es kann eben auf jede Frage mit Nein geantwortet werden.

Was auf den ersten Blick als eine gängige, wenngleich virtuos ausgeführte Fingerübung der jüngeren Generationen der Frankfurter Schule erscheinen mag, ist en detail ein harter Einschnitt. Zum einen freilich, weil der kantianische Republikanismus von Honneth verabschiedet wird, zum anderen, weil „Das Recht der Freiheit“ gleichermaßen soziologische Theorie wie politische Philosophie ist. In den Konsequenzen am radikalsten gerät dabei wohl Honneths Überzeugung, dass auch der Markt Freiheit als hohes Gut verkörpert. Honneth unterläuft somit die vielerorts implizit wie explizit nachwirkende statische Gegenüberstellung von strategischem und kommunikativem Handeln auf dem Schlachtfeld marxistischer Theoriebildung überhaupt: der Ökonomie. Auch diese ist mehr als die fadenscheinige Garantie ungenügender moralischer oder rechtlicher Freiheiten. Dadurch wird offensichtlich, dass auch „das System“ eine historisch gewachsene Größe ist, in dem sich gleichsam erfochtene Werte materialisieren. Auch die Gestalt moderner kapitalistischer Ökonomie wird von Honneth interpretierbar als reale Verkörperung gesellschaftlicher Kämpfe. Die Verpflichtungen, die der Einzelne dabei eingeht, sind eigentlich keine bloßen Einschränkungen, sondern vielmehr selbst reflexiv zugänglich und damit letztlich selbst „gewollt“. Die freiheitlichen Tätigkeiten jedes Einzelnen sind dann aufeinander verweisend, relational, eine Vervollständigung einer ansonsten bloß „autistisch“ erfahrbaren Freiheit.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Honneth seine tatsächliche Gesellschaftsanalyse beginnt, indem er sich dem Nachweis widmet, das Verbindende, das Gemeinsame, das „Wir“ in unterschiedlichen Sphären vom Persönlichsten hin zum Politischen herauszuarbeiten. Tatsächlich markieren dabei seine Bemerkungen zu Freundschaft, Intimbeziehung und Familie so etwas wie das Zentrum seiner Argumentation. Seine Begründung findet dies darin, dass Honneth mit einer Intuition Hegels dazu kommt, Liebe als die perfekte Form der Anerkennung zu verstehen. In diesen Passagen schwingt sich Honneth denn auch zu einer bemerkenswerten Emphase empor: „Wenn wir darin (im Leben in der Familie, N. B.) ein Moment der Befreiung, nämlich der Entlastung von bedrückender Einsamkeit und Todesfurcht sehen, so verdankt sich auch diese individuelle Freiheit den intersubjektiven Praktiken, die sich heute in der modernen Familie zu institutionalisieren beginnen; sie wird zu einer der ganz wenigen Stätten in unseren Gesellschaften, an denen die Subjekte noch säkulären Trost zu empfangen vermögen, weil sie sich zumindest fiktiv in einem sie überdauernden Ganzen aufgehoben wissen können.“

So nachdrücklich der Autor hier an die Errungenschaften der Familie gemahnt, so deutlich geht er allerdings auch über alle berechtigte Kritik von 1968 an der bürgerlichen Familie hinweg. Simplifizierend wirkt dann umso mehr der völlige Verzicht auf Michael Foucaults Studien zum Zusammenhang Sexualität – Wissen – Macht. Eine zeitgenössische Theorie persönlicher Beziehungen, die den Nachweis der darin schlummernden Freiheitspotenziale leisten will, kann darauf schlicht nicht verzichten. So schleicht sich in der faktischen Gesellschaftsanalyse mancherorts ein etwas geschmäcklerischer Essaysismus ein, dem zwar intuitiv häufig nicht zu widersprechen ist, der aber ziemlich unvermittelt neben der theoretisch luziden Arbeit in den ersten beiden Teilen des Buches an der Systematik und dem Begriff der Freiheit steht.

Implizit scheint Honneth gar darauf zu drängen, das Konzept der gelungenen Zweisamkeit auf das politische Kollektiv zu übertragen. Aber er denkt hier in allzu kleinen Verhältnissen, verbleibt im Rahmen einer letztlich subjektivistischen Privatheit. Missgünstig kann man das als ein Einfallstor des Konservatismus interpretieren. Wohlwollender wünscht man sich eine Berücksichtigung des Denkens Friedrich Nietzsches, Foucaults oder auch Sigmund Freuds herbei, um einen kritischeren Blick auf die Genese der modernen Konzepte von Freundschaft, Partnerschaft und Sexualität werfen zu können. Liebe ist offenkundig kein Konzept von weltumspannender Tragweite und so sehr ich meinen Partner und meine Kinder auch liebe, diese Beziehungen leben gerade von ihrer Exklusivität. Im Gegenteil gar stellt sich die Frage, ob nicht die Universalisierung der Freundschaft gerade einem Verlust des Rückzugsraumes gleichkäme und einen latenten Druck zu Authentizität, Tiefe und der „Gefühlsbeichte“ ausüben würde. Formalisierte Verhältnisse und die klare Trennung von privater Ansicht und beruflicher Verpflichtung beispielsweise sind umgekehrt eben auch als Freiheitsgewinne zu verstehen. So scheint die Perspektive schlicht auf dem Kopf zu stehen: Anstatt die Liebe hoch zu halten, müsste es nicht vielmehr darum gehen, zu sehen, das diese immer wieder scheitert oder gar imperialistisch wird, wenn sie zur Allinklusion strebt? Irritierend ist, wie Honneth seine Kritik hier in Watte packt und ihr so einiges an Kraft nimmt. Zwar betont er in bester marxistischer Tradition, dass die Geschichte als Geschichte von Kämpfen zu verstehen ist. Wie illusorisch, ja wie folgenreich kann da eine solche Theorieperspektive sein, die „bloß“ ein Appell an die volle Entfaltung des ohnehin schon Angelegten ist? Der Vorstand der Deutschen Bank wird kaum aus Mitgefühl zurücktreten.

Schon der „Kampf um Anerkennung“, Honneths erstes Hauptwerk, lud sich im zweiten Teil, nach der brillanten Herleitung des Begriffs der Anerkennung beim frühen Hegel, eine gewöhnungsbedürftige „Bestätigung“ dieser philosophisch-systematischen Begriffsarbeit mit Hilfe der Kleinkindforschung und der Psychologie auf. Just, als habe es den Konstruktivismus nie gegeben, als sei es nicht gerade im sozialwissenschaftlichen Kontext notwendig, die Rolle des Forschers zu reflektieren und den scheinbar „objektiven“ Ergebnissen der Naturwissenschaften als „hard sciences“ zu misstrauen, stützte Honneth sein offen normatives Programm auf die Gegenüberstellung von „Normalität“ und „Nicht-Normalem“ und, unangenehmer noch, von Natürlichkeit und Unnatürlichkeit. So jedoch betrieb Honneth schon zuvor eine Pathologisierung der von den eigenen Setzungen abweichenden Phänomene. Dadurch stellte auch er untergründig auf eine Gegenüberstellung von Sein und Sollen um, ohne den erkenntnistheoretischen Fallstricken große Aufmerksamkeit zu widmen. Er folgt diesem gliedernden Prinzip auch in „Das Recht der Freiheit“ und auch hier hat er mit dem Übergang von einer ideengeschichtlich sehr pointierten Arbeit am Begriff zum „Abgleich“ mit der Empirie zu kämpfen.

Sein Verfahren der immanenten Kritik, dass im „Recht der Freiheit“ seine Entfaltung findet, schwächelt in der Ausführung genau hier. Schon der Begriff der ,sozialen Pathologie‘, den Honneth dabei verwendet, weist dabei in eine metaphorisch folgenreiche Richtung. Verstärkt wird das noch dadurch, dass er diesen Begriff bemerkenswert unsauber definiert: „Von einer ,sozialen Pathologie‘ können wir in Zusammenhängen der Sozialtheorie immer dann sprechen, wenn wir es mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun haben, die zu einer nennenswerten Beeinträchtigung der rationalen Fähigkeiten der Gesellschaftsmitglieder führen, an maßgeblichen Formen der sozialen Kooperation teilzunehmen.“ Was aber ist nun genau unter „nennenswert“ und „maßgeblich“ zu verstehen? Und in welcher Weise kann hier von Rationalität gesprochen werden? Sicherlich hat Honneth recht, wenn er damit daran erinnert, dass gerade eine Versteifung auf rechtlich garantierte Freiheiten oder das eigene Gewissen und Pflichtgefühl zum Gegenteil führen kann. Beides nämlich kann einer Entkernung sozialer Verhältnisse gleichkommen: Im einen Fall als Charaktermaske des Rechts, die die eigene Person bloß noch „als Summe ihrer rechtlichen Ansprüche“ zu deuten weiß, im anderen Fall als sozial wie historisch gänzlich entwurzelte, die die allgemeingültige Gesetzgebung nur noch aus ihrer eigenen vernunftmäßigen Subjektivität herzuleiten trachtet. So einleuchtend Honneths Kritik an einem allzu engen, liberalistischen Verständnis von Freiheit auch ist, es steht schlicht zur Diskussion, welche „Versprechen“ von Anbeginn an in der modernen kapitalistischen Wirtschaft beispielsweise für gesetzt gehalten werden dürfen. Ist es tatsächlich so, dass der Markt „von Anfang an“ eine Kooperation zur Befriedigung der eigenen Interessen war und nur genau das? Ist die Grundmelodie kapitalistischen Wirtschaftens vom „Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht“ nicht vielmehr Ausdruck einer kurzsichtigen Freiheit, einer bloßen Umschrift der Vorstellung vom letztlich gefährlichen, abgründigen Menschen? Und vor allem: Woher stammen die Bedürfnisse, die wir da durch und mit dem anderen zu befriedigen glauben? Oder anders: Wie lerne ich, zu wollen, was ich will? Hier lässt Honneth erneut eine dezidiert subjektkritische Perspektive vermissen. Für die Tiefenschärfe des Freiheitsbegriffs jedoch wäre eine solche Perspektive eigentlich unerlässlich. Schon ein Blick in das Kapitel zur Kulturindustrie von Theodor W. Adorno zeigte, dass das mit den eigenen Bedürfnissen und dem ganz eigenen Wollen so eine Sache ist. Soziologisch wie sozialphilosophisch zumindest ist eine rigide Orientierung am Individuum, die auch Honneth letztlich nicht aufgibt, unterkomplex geworden. Gerade, wo Honneth sich detailreich an Freundschaft, Liebesbeziehung und Tausch abarbeitet, böte sich ein Seitenblick in Richtung des Poststrukturalismus an, sein stillschweigender Subjektivismus erhielte dadurch das nötige Gegengewicht.

Zurück bleibt nach der kurzweiligen und – trotz aller Kritik an der etwas unkritischen Spiegelung der Kerninstitutionen der Moderne – lehrreichen Lektüre des Buches vor allem die Gewissheit, dass die Kritische Theorie vor allem dann brilliert, wenn sie Zähne zeigt. Vom Starren in den Abgrund bei Max Horkheimer und Adorno mag man halten, was man will: An der emphatischen Kraft des Widerspruchs, des Unbehagens, mitunter auch der Abscheu über das Gegenwärtige jedoch dürfte wenig Zweifel bestehen. Dieses Ungestüme und Unbequeme fehlt Honneths Denken schlussendlich. Hier wünscht man sich die Verve zurück, mit der Honneth gegen das intellektuelle Draufgängertum Peter Sloterdijks in jüngerer Vergangenheit anschrieb. In dieser Debatte opferte der etwas steife Universitätsbetrieb auf beiden Seiten zwar seine Sachlichkeit, dafür aber bekam er die ungleich bedeutsamere Bestätigung, dass es auch in den Debatten von Soziologie und Philosophie um gesellschaftliche Realität, um Für und Wider und um ein Bild vom Hier und Jetzt geht.

Die untergründige Radikalität des Werkes „Das Recht der Freiheit“ steht zwischen den Zeilen und richtet sich zuvorderst gegen geistige Verwandte, die der Kritischen Theorie Frankfurter Prägung den Weg weisen wollen. Über deren verkopften Philosophismus reicht Honneth locker hinaus. Bei den Gemeinten sollte die Botschaft angekommen sein, die Lektürekurse dürften wieder Gesprächsstoff haben. Endlich. Aus dem Bannstrahl einer zu zahmen Sehnsucht nach Harmonie aber kann sich auch ein Axel Honneth nicht vollends befreien.

Titelbild

Axel Honneth: Das Recht der Freiheit. Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011.
628 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783518585627

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