Werbung kann mörderisch schlecht sein

Rosa Ribas’ neuer Frankfurt-Krimi findet in der Werbewirtschaft statt und handelt von einer Ehekrise

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ja, auch Krimihelden sind vor Ehe- und Sinnkrisen nicht gefeit. Da müssen sich Partner selbst finden und sind entsprechend spröde, sie reisen in die Fremde, und kehren sie zurück, ist nichts mehr wie es war – was uns zu der Erkenntnis führt, dass man Reisen am besten meidet.

Aber lassen wir das, denn egal ob Ehekrisen oder Singledasein, beides ist kein Zuckerschlecken, und einen krisenlosen Krimiermittler darf es anscheinend nicht geben, soll so etwas wie psychologische Tiefe im Genre zu finden sein. Das muss man wohl hinnehmen und sich daneben auch noch auf den Krimi konzentrieren. Und davon hat Rosa Ribas’ jetzt einen neuen vorgelegt.

Dass der auf Spanisch von einer Spaniern geschrieben wird, ins Deutsche übersetzt werden muss, jedoch in Frankfurt spielt und eine deutsch-spanische Ermittlerin hat, die – übersetzt – auf den schönen Namen Weber-Weber hört, gehört zu den Merkwürdigkeiten des Genres. Allerdings steht die Vertrautheit Ribas’ mit ihrem Schauplatz einer allzu verträumten Darstellung der deutschen Finanzmetropole im Weg.

Nicht aber von Banken, Rosa Ribas’ neuer Frankfurt-Krimi bewegt sich stattdessen im Werbermilieu. Und wer das Milieu kennt, wird Pseudo-Glamour und großkotzige Typen erwarten, immerhin haben wir es hier mit der Propagandaabteilung des entfesselten Kapitalismus zu tun. Und wie immer werden Erwartungen eben auch (aber eben nur auch) erfüllt.

Eine Frankfurter Agentur wird von Drohschreiben und kleineren Attentaten auf die Autos der Mitarbeiter heimgesucht. Nachdem das anfangs auf wenig Aufmerksamkeit stößt, wächst dann doch die Besorgnis als eine Konfetti-Bombe in der Agentur hochgeht. Kommissarin Weber-Tejedor wird abgestellt, um die Crème der Frankfurter Werber zu schützen. Zumal die Agentur in die Endauswahl einer Kampagne der Stadt Frankfurt gekommen ist, mit der die Weiläufigkeit und Modernität der Stadt zur Geltung gebracht werden soll.

Kern der Kampagne: die Offenheit und Toleranz der Stadt, in der unterschiedliche Lebensmodelle nebeneinander existieren, ohne dass sie sich gegenseitig niederkonkurrieren. Das ist eine hübsche Idee, aber gegen die Realität haben eben auch Kampagnen keine Chance, denn Kleingärtner mögen sich zwar bevorzugt um ihre Pflanzen kümmern, aber wenn schon eine Tanne zu Streit führt? Wie dann erst ein Schwuler oder irgendjemand anderes, der nicht in eine wie auch immer geartete Kleingärtnerei passt?

Die Kampagne hat also schon Probleme genug, die Agentur gerät jedoch arg ins Straucheln, als ihr führender Mann ermordet wird, der Tote wird mit einer Maske und einer Inschrift versehen: Ihr seid alles Clowns. Die Ermittlungen, die in diesem Fall von zwei Teams geführt werden, drehen sich ein wenig im Kreis. Keiner ist wirklich verdächtig und auch durch Beharrlichkeit lässt sich kein Ergebnis erzwingen. Der Kollege Weber-Tejedors muss allerdings im Laufe der Ermittlungen nicht nur eine dicke Schlappe einstecken, er – bekennend homophob – muss auch noch hinnehmen, dass sein langjähriger Kollege selber schwul ist. Manche Leute haben eben Pech.

Natürlich findet Weber-Tejedor am Ende ihren Täter, und natürlich ist das Ganze eine Beziehungstat, wie auch anders. Nebenbei ist das Ganze routiniert und sauber erzählt. Aber genau darin besteht auch das Problem: Nimmt man die lebensweltlichen Füllsel aus dem Text, kommt eine recht banale Ermittlungsgeschichte dabei heraus, die wenig aufregend ist, dafür aber jedes positive Weltbild stützt. Die Querelen der Polizisten wirken ein wenig holzschnittartig, der homophobe Kommissar, der uniformierte Beamte, der sich das Maul über eine weibliche Kollegin zerreißt, der junge Kollege, der sich vernachlässigt fühlt und dabei besonders attraktiv ist. Der Chef, der sich brüskiert fühlt und dessen Ideen bei den Untergebenen eigentlich nie auf Wohlwollen stoßen. All das macht ein Ensemble von Kriminormgestalten aus, die im Ganzen sogar einigermaßen funktionieren.

Und dass ein Krimi funktioniert, ist ja schon einmal was. Aber auch auf dieser Ebene ist Ribas’ Krimi einigermaßen konventionell: Hintergangene Liebe führt eigentlich immer zu Gewalt, und wenn dann noch andere Motive hinzukommen, dann ist das Massaker kaum noch aufzuhalten.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass unter solchen Umständen nicht mehr als solche Morde unter Werbern passieren. Ein Endfünfziger, der in den Vorruhestand geschickt werden soll? Klar, der hat ein Motiv. Ein Liebhaber, der zum ersten Mal ertragen muss, dass sich jemand von ihm trennt? Keine Frage, das führt zum Mord. Eine Jungtexterin, deren Idee nicht genommen wird, keine Frage, dass sie nicht in die Werbebranche passt, in der Texte nicht mehr als Material sind (das sollten sich auch andere mal hinter die Ohren schreiben). Und wer nicht in die Branche passt, bringt deren Leitwölfe gleich um?

Was das angeht, ist ein Motiv so gut wie das andere, und eine gewisse Beliebigkeit macht eben auch Ribas’ Konstruktion aus. Allerdings ist das offensichtlich eine bewusste Wahl, mit der eben ein größeres Publikum erreicht wird oder erreicht werden kann.

Titelbild

Rosa Ribas: Tödliche Kampagne. ein neuer Fall für Kommissarin Cornelia Weber-Tejedor ; Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Spanischen vonCornelia Weber-Tejedor.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010.
452 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461846

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