In rasantem Tempo bergab

Andreas Altmann verschießt sein Pulver in „Dies beschissen schöne Leben. Geschichten eines Davongekommenen“ gleich zu Anfang.

Von Oliver DietrichRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Dietrich

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein bisschen verkniffen schaut Altmann schon drein auf dem Buchcover, die Haare hängen ihm in den Augen, schlecht rasiert sieht er aus – eine perfekte Inszenierung eines „Davongekommenen“, die dem Fotografen da gelingt. Andreas Altmann ist eben ein Kandidat, der schon viel gesehen hat von der Welt und es auch als seine Aufgabe betrachtet, seine Erfahrungen der Welt mitzuteilen, er kann eben nicht anders. „Dies beschissen schöne Leben“ oxymoroniert der Buchtitel auch folgerichtig, als ob Freud und Leid in keinem Leben der Welt so nah beieinander liegen als in dem des Reisereporters und selbsternannten Versagers und Bücherdiebes Altmann.

Und was macht Altmann zuerst? Natürlich, er warnt den Leser, den potenziellen Schwachmaten, der es sich bestimmt schon auf dem heimischen Sofa bequem gemacht hat, vor den nun folgenden Seiten. Aber man hat doch längst durchschaut, dass so eine Warnung doch die Attraktivität steigert. Aber er meine diese Warnung durchaus ernst, wie er beteuert. Nun ja, so ganz unangebracht ist sie jedenfalls wirklich nicht.

Die erste Geschichte in dieser Sammlung von Short Stories handelt von der Liebe: „Celeste“ lässt den konsequent in der Ich-Perspektive schreibenden Autobiografen Altmann in einem Strudel der Eroberung versinken, eine Huldigung an die romantisch konnotierte Anziehung des Verbotenen. Die Reflexion der Annäherung an eine Frau, die ihm einst den Kopf verdrehte, sprüht geradezu vor literarischer Kraft, Er zieht den Leser unmittelbar hinein und bombardiert ihn mit einer Sprachgewalt, dass einem schlichtweg die Luft wegbleibt. Altmann schafft eine Atmosphäre, die vor Hochspannung fast explodiert, man wird förmlich hineingerissen in dieses Konstrukt des Kampfes um eine unerfüllbare Liebe, fiebert mit dem Protagonisten mit und vergisst die Welt um sich herum – wie ein Paukenschlag erscheint das Ende der Geschichte, welches einen fast ratlos zurücklässt, überrascht, verwirrt. Das ist ganz großes Kino.

Wenn man jetzt alles richtig machen will, klappt man das Buch zu und legt es entschieden weg. Denn genauso bombastisch, wie der Einstieg erfolgt, so schnell hat der Autor auch sein Pulver verschossen: Es geht jetzt nämlich nur noch in rasendem Tempo bergab. Das ein oder andere Highlight mag ihm zwar noch gelingen, doch geht es in seiner klebrigen Selbstverliebtheit gänzlich unter. Nein, Bescheidenheit ist wahrlich eine Tugend, die Altmann nicht mit auf den Weg bekommen hat. Er erklärt die Welt aus einer ätzenden Von-oben-herab-Perspektive, mit der er wohl beabsichtigt, sich das ausreichende Quäntchen Bewunderung selbst zuzuschanzen. Dieser Schuss geht gänzlich nach hinten los: Der Ich- Erzähler nervt nur noch mit seiner aufdringlich-egoistischen Selbstverliebtheit, der große Schreiber, der vor Talent kaum geradeaus laufen kann. Anstatt sein – durchaus vorhandenes – Schreibtalent einfach nur aus einer Bescheidenheit heraus wirken zu lassen, ätzt Altmann in Richtung des Erfolgsliteraten Paulo Coelho: „Wann immer sich mir die Gelegenheit bietet, denunziere ich Paulo Coelho. Mindestens einmal pro Buch. Weil ich ihn für den Inbegriff jener Sorte Schreiber halte, die rastlos zur weltweiten Verdummung beitragen.“ Nun mag man über den literarischen Wert des Brasilianers streiten, hier wird er benutzt, um sich selbst aufzuwerten. Das ist kläglich und wirklich peinlich. Trauriger Höhepunkt des Buches ist Altmanns Kollektion an Beleidigungen und Todeswünschen, die er denjenigen überbrachte, die es wagten, seine Texte zu kürzen, zu korrigieren oder gar zu bemängeln.

Dass der Gentleman genießt und schweigt, scheint hier jedenfalls nicht angekommen zu sein. Altmann ist ein hervorragender Jongleur der deutschen Sprache, keine Frage, aber so etwas sollte für sich allein wirken. Wenn man nämlich permanent darauf hingewiesen werden muss, wie toll man ihn doch gefälligst zu finden hat und wie schlecht doch gegen ihn alle anderen sind, dann vergeht einem ziemlich schnell die Lust am Lesen.

Titelbild

Andreas Altmann: Dies beschissen schöne Leben. Geschichten eines Davongekommenen.
Piper Verlag, München 2013.
251 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783492055543

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch