The Girl Who Plugged William Gibson In

Zur Neuauflage von William Gibsons „Neuromancer“-Trilogie

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jubiläen werden in der Verlagsbranche gerne genutzt, um einige Bestseller vergangener Jahre noch einmal auf den Markt zu werfen. Das muss nicht schlecht sein, denn in aller Regel werden aus diesem Anlass Werke besserer Qualität zu einem günstigeren Preis als ehedem angeboten. Ein bekannter Münchner Taschenbuch-Verlag ist diesem Prinzip einmal mehr gefolgt und hat in der kleinen, aber feinen Reihe „50 Jahre Science Fiction bei Heyne“ einige seiner erfolgreichsten und zu ihrer Zeit geradezu bahnbrechenden Science-Fiction-Romane neu herausgebracht, darunter etwa Iain Banks „Bedenke Phlebas“, Joe Haldemans „Der ewige Krieg“ und Ursula K. Le Guins „Die linke Hand der Dunkelheit“.

Da durfte natürlich auch William Gibsons berühmte „Neuromancer“-Trilogie nicht fehlen, deren drei Teile in den 1980er-Jahren erschienen. Der erste titelgebende Band kam im nicht nur für Science-Fiction-Fans so düster konnotierten Jahr 1984 heraus, sodann erschienen im Zwei-Jahres-Rhythmus „Count Zero“ und „Mona Lisa Overdrive“. Jeder der Romane trägt den Namen einer Figur im Titel. Den eines jungen Mannes, einer jungen Frau und einer künstlichen Intelligenz. Möglicherweise erbot Marge Piercy diesem Umstand mit dem Titel ihres feministische Cyberpunk-Romans „Er, Sie und Es“ ihre Referenz.

Gibson, dessen Roman „Neuromancer“ als ‚Gründungsdokument‘ des Subgenres Cyberpunk gilt, wird gerne als ‚Erfinder‘ des Cyberspace gepriesen. Ob dem wirklich so ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Wie alle Literatur, so wurde jedenfalls auch dieser Roman nicht voraussetzungslos aus dem Kopf eines Genies geboren. Gibson selbst erklärte, dass er von James Tiptree jr.’s Novelle „The Girl Who Was Plugged In“ inspiriert wurde, die bereits 1973 erschienen war und mit dem Hugo Award, einem der bedeutendsten Science-Fiction-Preise, ausgezeichnet wurde. Gibsons „Neuromancer“ sollte diese Ehre zweiundzwanzig Jahre später zuteil werden. Zudem gewann sein Roman den nicht weniger renommierten Nebula Award sowie verschiedene weitere Auszeichnungen, etwa in Australien und Japan. „Count Zero“ und „Mona Lisa Overdrive“ wurden zwar ebenfalls für den Nebula sowie den Hugo Award nominiert, gingen jedoch leer aus. Denn gegenüber „Neuromancer“ hatten die beiden Folgebände nicht mehr allzu viele Innovationen zu bieten.

Natürlich wirkt nach dreißig Jahren und dem Erscheinen zahlloser weiterer Cyberpunk-Romane, -Filme und -Video Games so manches Detail auch des ersten Bandes recht angestaubt. Wer sich aber eine Zeitreise in die längst verflossene Epoche gönnen möchte, in welcher der Cyberspace brandneu war und die Consolen-Cowboys noch dem Blonden, Sentenza, Tuco und anderen Anti-Helden der Italowestern nacheiferten, kann noch immer getrost zu Gibsons Trilogie greifen.

Titelbild

William Gibson: Die Neuromancer-Trilogie.
Übersetzt aus dem Englischen von Reinhard Heinz, Peter Robert.
Heyne Verlag, München 2014.
1040 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783453315983

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