Karl der Große wird erzählt

Karin Schneider-Ferbers Band über den mächtigsten Kaiser des Mittelalters

Von Jürgen WolfRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jürgen Wolf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Karls-Band von Karin Schneider-Ferber unternimmt einmal einen ganz anderen Versuch, uns im Karls-Jahr den größten Kaiser des Mittelalters nahezubringen: Schneider-Ferber erzählt seine Lebensgeschichte anhand von reichlich in Form von hochwertigen Abbildungen beigegebenen Artefakten und Quellenauszügen. Das ganze Unternehmen erinnert keinesfalls zufällig an ein Werk aus Karls Zeit selbst: an Einhards „Karlsvita“.

Schlägt man den reich bebilderten Band auf, wird gleichsam vom Sterbebett Karls sein Leben aufgerollt. Der Prolog, „Der letzte Winter“ ist also in Wirklichkeit ein Epilog, aber er ist mehr: Er ist der Beginn einer lebhaft, bisweilen spannend und unterschwellig immer informativen Karls-Geschichte. Das Erzählverfahren nimmt schon nach wenigen Seiten den Leser gefangen. In die Erzählung sind immer wieder kleine Quellenstücke, Forschungserträge, historische Nachweise, Personennamen und Zahlen eingeflochten. Auch wird jede einzelne so erzählte Lebensstation mit Bildern diverser Gegenstände, Schriftstücke, Karten und Bauwerken aus der Zeit Karls, aber auch aus vorangegangenen und nachfolgenden Jahrhunderten, ja sogar aus der Karl intensiv rezipierenden Moderne belegt. Dem Leser wird so, ohne dass er von gewichtigen historischen Fakten oder Belegen bedrängt oder gar erdrückt würde, beinahe spielerisch das Berichtete verifiziert.

Für den wissenschaftlichen Rezipienten erscheint das Verfahren, das ständige Changieren zwischen Geschichten und Geschichte, zwischen (manchmal etwas oberlehrerhaft wirkenden) Wissensblöcken und Bildern zugegebenermaßen irritierend, aber der Band zielt auf ein breites Publikum, d.h. auf den ‚normalen’ Geschichtsinteressierten. Im gelungenen Zusammenspiel von lebendiger Erzählung und reichlich Bildmaterial kann er vielleicht sogar den Nicht-Geschichtsinteressierten für die Sache begeistern, zumal das Bildmaterial von beeindruckender Fülle und Qualität ist; man kann sich so gleichsam schauend durch das Leben Karls hindurchblättern – auch dies übrigens ein Verfahren, das aus dem Mittelalter bekannt ist.

Liest, blättert und schaut man sich nun durch den Band hindurch, hat man am Schluss tatsächlich von der frühmittelalterlichen Vorgeschichte, über Sachsenkriege und Kaiserkrönung bis hin zu Karls Heiligsprechung und seiner Verehrung im Spätmittelalter – stellenweise sogar bis in die aktuelle Forschung – die Lebens- und Wirkungsgeschichte dieses Kaisers vor Augen. Man erfährt etwas über seine Familie, die Vorfahren und die Vorgänger; man erhält Einblicke in das Leben um 800; man wird mitgenommen in die Sachsenfeldzüge, erlebt selbstverständlich die Kaiserkrönung mit; sieht einen „Hauch von Luxus“ im Karolingerreich; erhält Informationen über das noch brüchige Machtsystem, über äußere und innere Feinde, über die Konstantinische Schenkung, über Karls Frauen. Am Schluss schließt sich der Kreis: Karl stirbt. Später wird er ein Heiliger, und Herrscher vieler Jahrhunderte werden sich auf ihn berufen, ihn nachahmen und als Stammvater ganzer Nationen für sich entdecken und beanspruchen.

Schaut man aus wissenschaftlicher Perspektive nach vollendeter Lektüre etwas genauer auf die dargebotenen Inhalte, darf man Schneider-Ferber ein Kompliment machen: Alles Wichtige ist da und wird, ohne das man es bemerkt hat, in einem durchaus historischen Duktus, d.h. in chronologischer Folge erzählt, und, ebenfalls gleichsam unbemerkt, mit in Bildform beigegeben Nachweisen belegt. Was man kritisieren könnte, wäre einzig das recht dünne Quellen- und vor allem das keinesfalls erschöpfende Literaturverzeichnis, aber genau da endet – wohl bewusst – die Kompetenz des Bandes. An dieser Stelle muss der Leser zu den historischen Standardwerken greifen. Und wenn genau diesen letzten Schritt der vorliegende Band erreicht hat, kann man von einem gelungenen Experiment zwischen Wissenschaft und Populärwissenschaft sprechen.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Karin Schneider-Ferber: Karl der Grosse. Der mächtigste Herrscher des Mittelalters.
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2013.
192 Seiten, 29,00 EUR.
ISBN-13: 9783806226027

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