Albtraum Liberia
Gunnar Ardelius thematisiert in „Die Liebe zur Freiheit hat uns hierher geführt“ die schwedische Haltung im Postkolonialismus
Von Elisabeth Böker
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs sollte die Lebensveränderung für Hektor und seine Familie werden. Ohne zögern nahm er daher die Stelle als Personalchef bei der schwedischen Minenfirma LAMCO – die Kurzfotm für Liberian American Swedish Mining Company – in der liberianischen Minenstadt Yekepa an. Was im ersten Moment von Schweden aus äußerst verlockend wirkte, entpuppt sich vor Ort in Liberia als ein Albtraum.
Mit Hektor und seiner Familie, bestehend aus Frau und fast erwachsenem Sohn, reisen wir nach Libieria ins Jahr 1969. Schweden engagierte sich in dem westafrikanischen Staat bei der Eisenerzgewinnung. Als neuer Personalchef ist Hektor beauftragt, die vor Ort schwelenden Konflikte unter den Arbeitern zu lösen. Was Hektor erwartet, wird ihm erst klar, als er sieht, wie das Unternehmen die Einheimischen behandelt. Er befürchtet Streiks und muss einen Weg finden, zwischen seinen Vorgesetzten und den Arbeitern zu agieren.
Auch für Frau und Sohn sorgt der sehr abrupt anfallende Umzug in die Fremde für große Veränderungen. Seine Frau fühlt sich nicht wohl. Das liegt zum einen an den lokalen Gegebenheiten wie dem warmen Klima oder der Kluft zwischen den Einheimischen und den aus Europa Zugezogenen, zum anderen liegt es auch darin begründet, dass sie ihren Liebhaber in Stockholm vermisst. Denn für sie ist die Ehe mit Hektor seit langem nicht mehr erfüllend.
Sohn Mårten hingegen freundet sich gleich am ersten Tag mit dem afrikanischen Gärtner an, der stets „Schlangenjunge“ genannt wird. Mårten ist siebzehn Jahre alt und politisch aktiv. Daher verfolgt er nicht nur mit großem Interesse, wie die Unruhen unter den Arbeitern entstehen und wachsen, sondern mischt sich gar unter die Aufrührerischen. Damit bringt er nicht nur sich und seinen Vater in große Schwierigkeiten.
Der Roman kommt auf dem ersten Blick sehr schlicht daher, mit einer einfachen Handlung und immer wieder vorherzusehenden Wendungen. Doch gibt es auch einige Besonderheiten in Gunnar Ardelius‘ erstem Roman für Erwachsene. Sie finden sich in Ardelius‘ Erzählstil, der durch plötzliche Wechsel in der Erzählerperspektive geprägt ist. Ferner liegt das Besondere des Romans in dem Themenreichtum, der von Kolonialismus und Postkolonialismus, über Rassismus, Kapitalismus und kulturelle Differenzen, bis hinzu Freundschaft und Liebe reicht.
In Schweden, wo der Roman 2012 erschien, schrieb sich Gunnar Ardelius mit diesem Roman in die postkoloniale Literatur mit ein und begann mit Schriftstellerkollegen wie Stefan Helgesson oder Helena Thorfinn eine literarische Debatte, welche Rolle Schweden in der Kolonialgeschichte spielte.