Husumzauber und Schwabinger Elendsjahre

Franziska zu Reventlows Erstlingswerk „Ellen Olestjerne“ als Neuausgabe in der Reihe „Nordfriesland im Roman“

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schenkt man Erich Mühsam Glauben, verwarf Franziska zu Reventlow ihren 1903 erschienen Erstling „Ellen Olestjerne“ später als „sentimentalen Schmarren“. Man könnte durchaus Verständnis für dieses Verdikt aufbringen, wenn man es auch nicht unbedingt teilen muss. Als „Schmarren“ lässt sich der Roman nämlich keineswegs abtun. Sentimental ist er zumindest über einige längere Passagen hinweg jedoch sehr wohl. Vor allem aber ist er ganz im Unterschied zu Reventlows späteren Werken fast vollkommen ironiefrei, sieht man einmal von der Belustigung ab, welche die Erzählstimme angesichts der gelegentlichen Naivitäten der noch kindlichen Protagonistin anklingen lässt. So etwa wenn das Mädchen glaubt, an ihrem sechsten Geburtstag würde sich ihr sehnlichster Wunsch erfüllen und sie als Junge aufwachen. Reventlow selbst steht das harsche Urteil über ihr Jugendwerk ganz fraglos alleine schon darum zu, weil sie und ihre späteren vor Geist und Witz sprühenden Werke so sehr über es hinausgewachsen sind.

„Ellen Olestjerne“ erzählt die Geschichte ihres literarischen Alter ego von den ersten Lebensjahren an bis zur Geburt ihres Kindes, dessen Geschlecht im Buch bemerkenswerterweise offen bleibt. Reventlow hat den Roman im Wesentlichen als erzählenden Text verfasst, der jedoch immer wieder von Briefen und Tagebüchern durchbrochen wird, die denjenigen, welche die Autorin als Jugendliche und Heranwachsende schrieb, nicht nur verblüffend ähneln sondern immer wieder gleichen.

Dennoch darf man nie vergessen, „dass Romanfiguren Geschöpfe der literarischen Fantasie und Gestaltung, jedoch kein genaues Abbild real existierender Personen sind“, wie die Herausgeber in dem mit seinen 50 Seiten angesichts eines keine 200 Seiten umfassenden Romans umfangreichen Nachwort zu Recht anmerken. Reventlow unterschlägt beispielsweise einen ihrer Brüder im Roman ganz.

Dass der Band in der Reihe „Nordfriesland im Roman“ erschienen ist, schlägt sich natürlich auch im Nachwort nieder, in dem Arno Bammé und Thomas Steensen nicht nur auf das Werk und seine Autorin eingehen, sondern, sofern sie nordfriesisch sind, etwa auch auf die „Orte des Geschehens“ wie etwa das Städtchen „Husum zur Zeit des Kaiserreichs“ oder, die im Roman als „Schloss Nevershuus“ literarisierte Residenz der Reventlows, hinter der sich das „Schloss vor Husum“ verbirgt. München und Schwabing dürfen sich demgegenüber nur einer weit geringeren Aufmerksamkeit erfreuen. Das lässt sich, eben angesichts des Reihentitels, sehr wohl nachvollziehen. Nicht so jedoch, dass Bammé und Steensen den von Reventlow angesichts eines Traums im Tagebuch erwähnten „Husumzauber“ gegen die „Schwabinger Elendsjahre“ – so die Formulierung der Herausgeber – ausspielen.

Wie sehr Bammé und Steensen die Autorin des von ihnen herausgegebenen Buches schätzen, zeigt sich, wenn sie in Anbetracht der Tatsache, dass in Husum Theodor Storm und Ferdinand Tönnies am städtischen Schloss mit Denkmalen geehrt werden, konstatierten, es sei „angebracht, hier in geeigneter Weise die Erinnerung an Franziska zu Reventlow wachzuhalten“. Dem lässt sich nichts hinzufügen.

Titelbild

Franziska zu Reventlow: Ellen Olestjerne. Nordfriesland im Roman.
Herausgegeben von Arno Bammé.
Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum, Nordsee 2014.
224 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783898767217

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