Ohne neue Ergebnisse
Dissertation zu Brecht und Benjamin
Von Christoph Schmitt-Maaß
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseKaum ein Autor hat mit solcher Sensibilität die Brüche seiner Zeit erfasst wie Walter Benjamin. Er sah sich konfrontiert mit dem Problem eines historisch-politischen Paradigmenwechsels und schwankte fort an zwischen den Polen Theologie und Marxismus. In vielen Essays und Abhandlungen, Interpretationen und Denkmodellen versuchte er eine Verschmelzung dieser beiden Gegenpole.
Der aus Korea stammende Mi-Ae Yun versucht in seiner Göttinger Dissertation eben jenem Wechsel auf die Spur zu kommen. Am Beispiel Bertolt Brechts arbeitet er die antipodischen Ansätze Benjamins heraus, ausgehend von der Prämisse, dass es eine "funktionale Kritik", wie Bernd Witte sie vorgeschlagen hat, nicht gibt. Benjamin sei es nie um die Massen gegangen, sondern immer nur um die Intellektuellen. Dabei vernachlässigt er jedoch die publizistische Entwicklung Benjamins, der eine Politisierung der Intellektuellen ebenso anstrebte wie eine kritische Schulung der Rezipienten.
Der entscheidende Schritt bei Benjamin bleibt somit ausgespart: Der Wandel vom frühen "metaphysischen" Philosophen, der auf ein Publikum meint verzichten zu können, zum späteren, um Wirkung bemühten Exoteriker. Statt dessen wird die Theologie-/Marxismusdebatte detailliert nachgezeichnet, ohne eigene, neue Erkenntnisse zu ziehen.
Mit einer Vielzahl primärliterater Zitate verdeutlicht der Autor die Übereinstimmungen, vor allem aber auch die Gegensätzlichkeiten von Brecht und Benjamin. Er konturiert die Unterschiede an einzelnen wichtigen Texten, etwa dem "Reproduktions"-Aufsatz Benjamins und Brechts Technik-Thesen im "Dreigroschenroman".
Die wesentlichen Eckpunkte, an denen Yun Gemeinsamkeiten und Differenzen festmacht, sind Technik, Dialektik und Gestik. Nicht nur die gemeinsamen Interessengebiete der beiden Schriftsteller werden durchleuchtet, sondern auch die gegenseitige Wahrnehmung - etwa Benjamins Kommentare zu Gedichten Brechts. Besonders an den unterschiedlichen Kafka-Rezeptionen wird der Benjaminsche "Kreuzweg zwischen jüdischer Mystik und Marxismus" markiert.
Die gelegentlichen Druckfehler mögen als störend empfunden werden. Der ungleich größere Mangel ist das Fehlen neuer Erkenntnisse. Dafür fasst das Werk recht übersichtlich den aktuellen Stand zum Thema Brecht/Benjamin und die sie betreffende Kontroverse "Marxismus vs. Theologie" zusammen.
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