Verdi auf der Bühne

Christian Springer über zeitgenössische und gegenwärtige Verdi-Interpreten

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Christian Springers Buch versteht sich vornehmlich als Werksgeschichte, beschreibt anhand vieler zeitgenössischer Briefe, aber zum Beispiel auch unter Zuhilfenahme von Zeitungsausschnitten und Tagebüchern, die oftmals langwierige Entstehung von Verdis Opern. Der Autor greift dabei auch auf noch unveröffentlichte oder noch nicht in deutscher Sprache erschienene Dokumente zurück, um für den Leser ein Bild von Verdis Leben und Schaffen zu zeichnen. Wie wurde die literarische Grundlage für Opern wie "Rigoletto" oder "Luisa Miller" gefunden? Welcher Librettist bearbeitete sie und warum? Wann und wie lange arbeitete der Maestro an seiner Musik? Und vor allem: Wer waren die Sänger und Sängerinnen der ersten Stunde? Wurden sie beklatscht oder ausgepfiffen? Wo lagen ihre Stärken, wo ihre Schwächen? Welche Intrigen spannen die eifersüchtigen Konkurrenten?

Der Autor will aufräumen mit dem Vorurteil des goldenen Zeitalters der Musik - auch zu Verdis Zeiten gab es gute und schlechte Sänger, gelegentlich wurde selbst in vom Komponisten besuchten Aufführungen falsch gesungen, die Oper abgebrochen, ab und zu wurden Kostüme oder Bühnenbilder nicht rechtzeitig fertig, und auch zu Verdis Lebzeiten gab es schlechte Schauspieler unter den Meistersängern.

Ebenso aber macht der Autor begreiflich, wie die Opernwelt, die Stimmlage der Sänger und auch die Auffassung der Werke Verdis sich seit dem Tod des Komponisten verändert haben, erklärt somit auch, wie die Auffassung vom "goldenen Zeitalter" der Oper entstand und weshalb sie nicht richtig ist. Immer wieder macht er sowohl darauf aufmerksam, dass den Sängern zu Verdis Lebzeiten ihre Rollen "auf den Leib" komponiert wurden, als auch auf den Fakt, dass die Sänger sich heutzutage nicht mehr auf ein besonderes Fach oder einen einzigen Komponisten spezialisieren können, sondern sich zu "Allroundtalenten" entwickeln müssen, deshalb zumeist nur viele verschiedene Techniken mehr oder weniger gut präsentieren können, nicht auf allen Gebieten Meister sind.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das Intermezzo "Der Verdi-Bariton", in dem der Autor nicht nur auf die Entwicklung des Baritons als eigene Stimmlage in der italienischen Oper eingeht, die eng mit dem Erfolg Verdis als Komponisten zusammenhängt, sondern auch auf die zunehmende Wichtigkeit des Baritons in Verdis Werken.

Dabei schildert Christian Schmidt liebevoll, detailgenau und vor allem auch äußerst sachkundig (der Autor ist selbst ausgebildeter Sänger und seit Jahren auf dem Gebiet der Musikgeschichte publizistisch tätig) die Welt, in der sich Giuseppe Verdi bewegte: Mailand, Paris, London, Sankt Petersburg - von Theater zu Theater reisend, dabei vor allem während der sogenannten "Galeerenjahre", in der der noch junge Komponist sich einen Namen zu machen versuchte und seine bereits angegriffene Gesundheit aufs Spiel setzt, um Gagen pokerte und sich mit den Grillen aufgetakelter Primadonnen und aufgeblasener Tenöre herumschlagend. Dabei wird es dem Leser möglich, in die Atmosphäre der Uraufführungen einzutauchen, mit den eigenen Worten des Komponisten zu hören, wie er sich die Aufführung eines "Otello" oder einer "Aida" vorstellte (nämlich möglichst einfach und ohne eine große Anzahl an Statisten), welche Regieanweisungen er den von ihm eher nach schauspielerischen als gesangstechnischen Gründen ausgesuchten Sängern und Sängerinnen gab. Dem Leser ist es möglich, sich in das 19. Jahrhundert zurückzuversetzen, besser zu verstehen, wieso dieses oder jene Stück so und nicht anders komponiert wurde (die Zensur war nicht nur im geteilten und zum Teil noch immer von Österreich besetzten Italien sehr aktiv) und welche Wirkung es auf die Zeitgenossen Verdis gehabt haben muss, die den Maestro immer als patriotischer sahen, als jener sich selbst dazustellen versuchte. Es ist oftmals erstaunlich zu hören, wie die Opern sich entwickelt haben, wieso manches Werk an einem Ort ausgepfiffen, am nächsten jedoch mit frenetischem Jubel aufgenommen wurde.

Die Handhabung des umfangreichen Sachbuches lässt gelegentlich jedoch zu wünschen übrig - Anmerkungen befinden sich als Endnoten erst am Schluss jedes Kapitels, was häufig mühsames Umblättern und nachfolgendes Sich-neu-orientieren-müssen im Text zur Folge hat. Darüber hinaus muss der Autor aufgrund der Tatsache, dass ein Kapitel immer die Geschichte mehrerer Opern über die Jahre verfolgt, häufig zeitlich vorgreifen, so werden einige Details mehrmals geschildert, andere zuerst nur angedeutet, um dann im nächsten Kapitel behandelt zu werden, was ab und an verwirrend ist.

Das Buch ist wohl für allem für Musik- und Opernliebhaber geeignet, da der Autor zu häufig eine genaue Kenntnis von Notenlehre und Vertrautheit mit dem Inhalt von Verdis Opern voraussetzt und Fachbegriffe deshalb gar nicht oder nur kurz erklärt. Der Opernlaie dagegen verliert sich häufig in der ausgedehnten Schilderung einzelner Gesangspartien, die ohne hörbares Beispiel nicht nachvollziehbar sind.

Titelbild

Christian Springer: Verdi und die Interpreten seiner Zeit.
Holzhausen Verlag, Wien 2000.
489 Seiten, 33,20 EUR.
ISBN-10: 3854930291

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