(Kein) Leben in der formalen Logik

Warum es sich lohnt, Max Frischs "Homo Faber" nun auch zu hören

Von Andrea PotzlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Potzler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Also doch? Ist die Welt in formaler Logik beschreibbar? Für Walter Faber ist das erst mal gar keine Frage. Es kann gar nicht mehr geben als die Dinge, die er via Berechnung herausfindet. Flugzeuge stürzen nun mal gemäß einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1.000 ab, den Bruder des Jugendfreundes zu treffen, ist eher unwahrscheinlich, die eigene Tochter kennenzulernen, von deren Existenz man nie etwas wusste, und sich auch noch in sie zu verlieben, ist quasi unmöglich. Natürlich passiert all dies unserem Helden. Das wissen wir bereits aus der Schule, der Deutschlehrer winkte schon mit Max Frischs "Homo faber": bedenket Kindlein, bedenket! Wenn nach Bildung streben, dann auch nach dem, was man Herzensbildung nennt, was einen dazu bringt, andere Menschen und vor allem sich selbst zu verstehen und somit gerade eben nicht nur nach den Gesetzen des scheinbar im ersten Moment einfachsten Weges zu leben.

Und nun erneut? Nochmals die Odyssee des Menschen miterleben, der glaubt, ein völlig normales Leben zu führen und doch nur eine stabile Beziehung hat, die zu seiner Schreibmaschine "Hermesbaby". Nicht gerade glücklich ist er, aber immerhin. Und doch werfen Walter Faber innerhalb kürzester Zeit alle Ereignisse aus der gewohnten Bahn seines immergleichen Lebens und machen ihm klar, dass er all die Jahre gänzlich am Eigentlichen vorbeigelebt hat.

Die Thematik bleibt hochaktuell. Doch reicht es nicht, dieses Werk zitiert zu bekommen, gar den Film gesehen zu haben?

Nicht, wenn Felix von Manteuffel in schnörkellosem, etwas trotzigem Ton liest, was Walter Faber zu berichten hat. Da spürt man irgendwann förmlich den immer mehr hervortretenden Kontrollverlust, der mühsam unter der Sachlichkeit versteckt gehalten werden soll und schließlich doch zur Annahme des eigenen Schicksals führt. Feine Töne stimmt Felix von Manteuffel an und wie man genau darauf achten muss, was im doch so kühlen Walter Faber vorgeht, so muss man auch hier genau hinhören, um die wunderbar ausgeloteten Differenzen aufzunehmen. Man könnte sich keinen besseren Sprecher für dieses Werk denken.

Titelbild

Max Frisch: Homo Faber. 7 CD.
Der Hörverlag, München 2001.
32,20 EUR.
ISBN-10: 3895845337

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