Das Beste vom Osten sind immer noch die Möbel

Christian Wolters "Frösi-Bande"

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Stammt man aus Dohlenort in Mecklenburg, heißt Provinz Heimat. Henry Haschke kommt aus Dohlenort, und nachdem er sich zwei Jahre erfolglos in der Großstadt Leipzig versucht hat, kehrt er nun, mit 22, wieder ins ländliche Mecklenburg zurück. Er kehrt zurück zu den Eltern, zu den Überlandbussen und den Fischteichen. Er kehrt zurück zu seinen alten Freunden, zu ihren alten Marihuana- und Alkoholpartys, er belebt auch die alten Feindschaften zu den Dorf-Skins wieder und lässt keine Gelegenheit zur Konfrontation aus. Er gerät mitten hinein in eine Langeweile, die er bekämpft, indem er sich mit seinen Freunden Sid und Stoppel als terroristische Organisation "Kommando Freie Radikale" ausgibt und die Fensterscheiben der örtlichen Autohäuser und Banken einwirft. Auch aus Protest gegen seinen Vater, einen alkoholkranken Polizisten, arten diese Aktivitäten immer weiter aus, bis die drei schließlich verhaftet werden, und Henry zuerst wegen Drogenmissbrauchs in der Psychiatrie und anschließend wegen Terrorismus vor Gericht landet.

"Fröhlich sein und singen", kurz "Frösi" hieß eine Zeitschrift in der DDR, und genau das ist das Ziel von Henry und seinen Freunden: Sie wollen Entertainment, was zu rauchen und ein paar Abenteuer mit den junggebliebenen Müttern der Mitschüler. Und sie wollen austesten, was die Dorfgesellschaft ihnen alles durchgehen lässt.

Christian Wolter, Jahrgang 1972, erzählt in seinem Roman "Die Frösi-Bande" von einem anderen, einem nordischen Osten: Hanseatisch geprägt und daher geistig wie kulturell immer näher an Hamburg als an Berlin oder Leipzig, ist dennoch die SED-Vergangenheit noch präsent, es wird PDS gewählt und ländlich-konservativ gedacht. Hansa Rostock ist der einzige Bezugspunkt zur großen Welt, Bayern München das klare Feindbild, ansonsten herrschen die Zwänge des Jeder-kennt-jeden: Wenn der Sohn am Abend Mist baut, sind die Eltern am nächsten Morgen schon groß im Gespräch. Und diese Gelegenheit lässt sich Henry Haschke nicht entgehen.

Wolter hat einen durchaus unterhaltsamen Roman geschrieben, der aber einige Schwächen hat: Der Hauptstrang der Handlung spielt in der Gegenwart, also während Henrys momentanen Aufenthaltes in Dohlenort. Dazu werden ständig Ereignisse aus seiner frühen Jugendzeit dazwischengeblendet, immer, wenn es gerade zum Thema passt. Das wirkt dann alles recht willkürlich hintereinander gehängt, es scheint, als habe der Autor lediglich Dutzende Anekdoten aneinander gereiht. Zu der so schon undurchsichtigen Textstruktur kommt hinzu, dass ein Großteil des Buches aus der Retrospektive erzählt ist, während Henry in der Psychiatrie behandelt wird. Dadurch wirkt der Ablauf vollends chaotisch.

In den Dialogen erscheint die Sprache größtenteils realistisch, manchmal aber auch unverständlich wortgewandt. Man wundert sich dann stellenweise, warum die Personen so reden, als läsen sie vom Blatt ab. Gleiches gilt für die Hauptfigur: Eigentlich soll Henry wohl ein ungebildeter Typ vom Land sein, der zwar gerade zwei Jahre in Leipzig verbracht hat, den man aber eigentlich für ziemlich simpel im Denken halten kann. Dazu passen aber seine zu ausgefeilten, komplexen Gedanken nicht. Die Dialoge, an denen er beteiligt ist, laufen immer auf viel niedrigerem Niveau ab als die Reflextionen des Ich-Erzählers. Das Bild vom Protagonisten Henry bleibt verschwommen, der Charakter verliert an Deutlichkeit. Auch wenn das Buch in der Reihe "10 + 1 Stories" des Killroy Media Verlags erschienen ist, so dass eine Nähe zum Social Beat-Kontext zumindest anzunehmen ist, wirkt die zuweilen vulgäre Sprache irgendwie bemüht und deplatziert. Es wird hier eine Härte in der Sprache angestrebt, die nicht zum sonstigen Bild des Protagonisten passt. Dennoch bleibt festzustellen, dass man, lässt man sich auf Wolters Sprache ein, viel Spaß mit der "Frösi-Bande" haben kann und auf den weiteren Output dieses jungen Autors in jedem Fall ein Auge werfen sollte.

Titelbild

Christian Wolter: Die Frösi-Bande. Roman.
Killroy Media, Asperg 2001.
248 Seiten, 15,50 EUR.
ISBN-10: 3931140237

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