Natürliche, artifizielle und hybride Bilder

Reinhard Brandt: Die Wirklichkeit des Bildes

Von Julia DombrowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Dombrowski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In "Die Wirklichkeit des Bildes" versucht der Marburger Philosophie-Professor Reinhard Brandt zu zeigen, daß man Bilder streng genommen nicht sehen kann, so wenig wie wir den Staatspräsidenten oder den Golf von Neapel sehen können: Wir sehen sie nicht, sondern erkennen sie, indem wir aufgrund bestimmter optischer Informationen (Farben, hell-dunkel) und vieler anderer Daten darauf schließen, daß dort der Staatspräsident steht und vor uns der Golf von Neapel liegt. Dabei können wir uns täuschen, zum Beispiel könnte statt des Präsidenten ein Double abgebildet sein. Die optischen Informationen dieses Bildes sind jedoch täuschungsfrei, nur der Schluß, den wir daraus ziehen, kann falsch sein.

Bilder, so Brandt, stellen etwas, das wir sehen und erkennen, nur dar; das Dargestellte ist kein Tatbestand unserer Erfahrung, sondern lediglich ein Sachverhalt. Wir erkennen aufgrund der optischen Informationen den Golf von Neapel, aber nur als Bild. Er ist paradoxerweise da, ohne dazusein. Tiere sind bei diesem Akt der Negation überfordert: Sie können zwar durch Attrappen getäuscht werden, aber nicht einen nur bildhaften Sachverhalt erkennen, der kein Dasein hat.

Brandts Ausführungen beginnen mit natürlichen Bildern, Bilder im Spiegel oder im Wasser. Die Überlegungen führen zu artifiziellen Bildern wie dem Lageplan in der U-Bahn, erklären dann den Charakter von Kunstbildern und enden bei hybriden Bild-Objekten, die nichts mehr darstellen außer sich selbst.

Titelbild

Reinhard Brandt: Die Wirklichkeit des Bildes. Sehen und Erkennen - Vom Spiegel zum Kunstbild.
Carl Hanser Verlag, München 1999.
307 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3446196455

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