Mit Vehemenz die Trommel rühren
Jörg Fausers "Lese-Stoff"-Empfehlungen
Von Amir Shaheen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseJörg Fauser (1944-1987) hat viel für die Literatur getan. Vielleicht mehr als Journalist, Rezensent, Essayist und Kritiker denn als Verfasser eigener Romane. Mit Titeln wie "Der Schneemann" und dem autobiografischen "Rohstoff", einem Abriss seiner Drogen- und Jugendjahre in Istanbul und im studentenbewegten Frankfurt, wurde er zum Kultautor.
An den letztgenannten Roman knüpft der Titel dieses nun veröffentlichten Bandes an. Denn Fauser war Leser. Und als solcher immer auch Lernender. Stets von einer enormen Wachheit und Wachsamkeit den Autoren (die später, als er selber etabliert war, auch Kollegen waren) und ihren Sujets gegenüber, blieb er in einem unglaublichem Maße sowohl kritisch als auch begeisterungsfähig. Mit einer besonderen Vorliebe für die hierzulande lange Zeit verpönten Genres Kriminal- und Spionageroman, gelang es ihm mühelos, eben diese Begeisterung zu vermitteln, von ihm 'entdeckte' Autoren auch anderen ans Herz zu legen, zu empfehlen, nahe zu bringen.
Er hat dies getan in ausführlichen, kenntnisreichen Buchkritiken, Reportagen, Autorenporträts. 22 dieser Fauserschen Literatur-Tipps erzählen von Klassikern wie Joseph Roth, George Orwell oder Hemingway, von Größen wie Chandler, Hammett, Spillane oder damaligen Undergroundern wie Kerouac, Bukowski bis hin zu Autoren wie Erich Loest.
Was Jörg Fauser favorisiert, ist stets eine leidenschaftlich engagierte Literatur, die über den Tellerrand hinausblickt, die Stellung bezieht und bei aller Entschlossenheit und Aufklärung, bei aller Aufrichtigkeit und Kritik ihre Aufgabe nicht aus dem Blick verliert: Geschichten zu erzählen und das Publikum zu unterhalten. Viele dieser Texte, deren ältester bald 30 Lenze zählt, vermitteln die rebellische Vehemenz, mit der Fauser immer wieder die Trommel rührte und auf diese Weise auch gegen die seiner Ansicht nach zubetonierten Feuilletons und die von ihnen gehätschelte Bauchnabel-Literatur anschrieb:
"Dass Bukowski auch bei uns immer mehr Leser und Anhänger finden wird, ist kaum zu bezweifeln. Kein Wunder bei der systematischen Ausnüchterung und Indoktrinierung, die wir uns viel zu lange gefallen lassen mussten. [...] Sein 'unglaublich rüder Ton' (Karl Krolow) wird denen allerdings schwer im Magen liegen, die noch nicht begriffen haben, dass Literatur, soll sie überhaupt noch etwas sichtbar machen, ihre letzte Chance da hat, wo sie herkommt: auf der Straße, in den Sub-Zonen unserer Endzeit-Moräne 'Kultur', in den Gettos der Außenseiter, wo Klartext geschrieben wird, weil sonst alles zur Lüge verkommt und Überleben nicht lohnt."
Fausers Beitrag, zuerst 1974 in der Baseler National-Zeitung veröffentlicht, verrät auch eine Menge über den Verfasser selbst, über seine Vorlieben, seinen Literaturbegriff, seine Autorentheorie und seine Produktionsästhetik. Nicht wenige Fauser-Fans sind durch ihn zu Weiter-Lesern geworden, andere könnten und sollten es werden. Dieser "Lese-Stoff" ist die beste Einstiegsdroge für künftige Literaturjunkies.
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