Bücher für die Insel

Hundert Jahre Insel Verlag

Von Viktor SchlawenzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Viktor Schlawenz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Der Suhrkamp Verlag wird respektiert, der Insel Verlag geliebt." Anläßlich des hundertsten Geburtstages des Insel Verlages hat der Doppelverleger Siegfried Unseld diese einfache Erkenntnis formuliert und damit ins Schwarze getroffen. Der Insel Verlag ist ein Publikumsliebling, die Insel-Bücherei hat überall auf der Welt begeisterte Freunde und Sammler gefunden, das schöne Insel Taschenbuch ist Aushängeschild und Verkaufsschlager und damit ökonomisches Standbein des Hauses. Jeder 25. Band der insel taschenbücher ist Goethe gewidmet. Mit dem Deutschen Klassiker Verlag tritt seit 1985 eine Tochter der Insel mit renommierten, aufwendig edierten und kommentierten Klassiker-Ausgaben an die Öffentlichkeit, in deren Zentrum die Frankfurter Goethe-Ausgabe steht.

Seit seiner Gründung im Jahre 1899 hat der Insel Verlag eine wechselvolle Geschichte erlebt. Otto Julius Bierbaum, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder gründeten die "Insel" als "Monatsschrift mit Buchschmuck und Illustrationen". Am Anfang der Zeitschrift stand programmatisch ein Huldigungsgedicht Rudolf Alexander Schröders an Goethe: "Unendlichkeit und Grenzen sind sich niemals fremd: Die Liebe ist in beiden." Robert Walser hatte sein Debüt im ersten Heft der "Insel", die folgenden Ausgaben enthielten Beiträge von Hofmannsthal und Liliencron, Rilke und Scheerbart, Richard Dehmel und Franz Blei.

Die kaufmännische Unerfahrenheit der Verlagsgründer führte 1901 zur Neugründung des Verlags in Leipzig. Rudolf von Poellnitz und Carl Ernst Poeschel waren die ersten Leiter, bevor Anton Kippenberg den Verlag übernahm und bis zu seinem Tod 1950 weiterführte. Kippenberg setzte vor allem auf zwei Autoren, Goethe und Rilke. Neben Rilke konnten Hans Carossa und Stefan Zweig als weitere Haus- und Hauptautoren aufgebaut werden.

Buchkunst und Buchausstattung waren zentrale Anliegen Kippenbergs. Er konnte zahlreiche bedeutende Künstler verpflichten, darunter Emil Preetorius, Ernst Ludwig Kirchner, Max Slevogt, Henry van de Velde und Heinrich Vogeler. Später kamen Imre Reiner, Walter Schmögner, Walter Tiemann und Gunter Böhmer hinzu.

Die zwanziger und dreißiger Jahre waren ökonomisch schwierige Zeiten für Kippenberg. Die Kriegsjahre führten zum Verlust fast der gesamten Lagerbestände. Im Dezember 1943 wurden das Insel-Haus in Leipzig und fast alle Herstellungsstätten zerstört: "Eine Million Bücher allein der Insel-Bücherei verbrannten." Als politisch unbelastet konnten Anton Kippenberg und seine Mitarbeiter den Verlag nach 1945 weiterführen. Von den Autoren hatte sich nur Ernst Bertram politisch kompromittiert und durfte zunächst nicht publizieren. Kippenberg gründete eine Zweigstelle in Wiesbaden, das Stammhaus sollte in Leipzig bleiben. Durch die beiden Staatsgründungen 1949 zerfiel Insel in einen Ost- und einen West-Verlag. 1970 erschien eine gemeinsame Bibliographie, 1987 eine gemeinsame Bestandsaufnahme der Insel-Bücherei.

Ein Problem nach 1945 war der fehlende Nachwuchs: Es gab viele ältere, renommierte Autoren, die jedoch für die Vergangenheit des Verlages standen, nicht für seine Zukunft. Der Verlag dümpelte vor sich hin, immer nahe am Bankrott. Erst die Übernahme durch Siegfried Unseld zum 1. Januar 1963 führte zur Sanierung des Verlages. Unter Unselds Ägide gelang es relativ schnell, dem Insel Verlag eine neue wirtschaftliche Basis zu geben: Neben der Fortführung der Klassiker-Ausgaben wurde verstärkt zeitgenössische Literatur herausgebracht. Thomas Bernhard und Hermann Lenz, Marie Luise Kaschnitz und Dolf Sternberger, Herbert Genzmer und Erich Wolfgang Skwara wurden Hausautoren. Im Herbst 1965 startete die 'sammlung insel' mit sechs Bänden, gestaltet von Willy Fleckhaus. Die 'si' brachte streitbare aufklärerische Texte heraus. Bücher von Gervinus, Forster, Weerth, Heine, Baader und Overbeck wurden hier von zeitgenössischen Autoren ediert und sekundiert, darunter Bloch und Enzensberger. Auch das wertvolle, aufwendig hergestellte und schöne Insel-Buch wurde weiterhin gepflegt. Das teuerste Buch des Verlages ist heute das Faksimile des Codex Guelf, kurz das Evangeliar Heinrichs des Löwen. Es ist für schlappe 34.000 Mark zu haben.

Die Wiedervereinigung führte auch zur Zusammenlegung der beiden Niederlassungen Frankfurt/Main und Leipzig. Frankfurt wurde Hauptsitz, Leipzig firmiert als Niederlassung. Der 100. Geburtstag des Verlages wurde mit je einer Ausstellung in beiden Städten begangen. Die vorliegende Verlagsgeschichte von Heinz Sarkowski reicht zwar nur bis ins Jahr 1964, doch wird sie ergänzt durch eine Chronik von Wolfgang Jeske, die bis ins Jubiläumsjahr reicht. Eine Einleitung Siegfried Unselds umreißt stichwortartig hundert Jahre Insel-Geschichte. Ihm ist die ökonomische Gesundung, die programmatische Erneuerung des Verlages und die optimale Verwertung seiner Rechte zu verdanken. Eine Bibliographie und ein Register beschließen den Band.

Titelbild

Heinz Sarkowski: Der Insel Verlag 1899-1999. Die Geschichte des Verlags 1899-1964. Chronik 1965-1999. Eingel. v. Siegfried Unseld.
Insel Verlag, Frankfurt 1999.
750 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 3458169857

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