Ein britischer Bürgerschreck meldet sich zu Wort

Stephen Fry über die ersten - mißratenen - zwanzig Jahre seines Lebens

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im England des 19. Jahrhunderts hätte man Stephen Fry aufgrund seines Lebens und Schreibens wohl als "Bürgerschreck" bezeichnet. Heute muß man das präzisieren und ihn einen links-intellektuellen, homosexuellen, non-konformistischen Allround-Künstler nennen. "Das ist natürlich ausgemachter geistiger Dünnschiß", würde der 1957 in London geborene Schriftsteller und Schauspieler kommentieren; und in diesem engagierten Ton, der keine Tabus kennt, ist auch Frys Autobiographie verfaßt. Vom aufmüpfigen, rotzfrechen, lügnerischen Zögling einer angesehenen Privatschule zum Dieb und gescheiterten Selbstmörder - dieser Lebenslauf dient dem Autor als roter Faden, um in schnoddrigem Ton mit den Klischees vom britischen Nationalcharakter, von Homosexualität und psychoanalytischen Deutungsmustern aufzuräumen. Entweder mit Ironie und Zynismus oder mit Obszönitäten und Situationskomik argumentiert Fry manchmal entwaffnend oberflächlich ("Vielleicht handelt es sich dabei um ein urmenschliches Vergnügen, vielleicht bin ich aber auch einfach nur krank"). An anderen Stellen setzt er seine beträchtliche sprachliche Brillianz und das Wissen um die doppelbödige Kunst der Autobiographie ein, um die Geschichte seiner pubertären Leiden und Sünden zum Hoch- und Abgesang auf das Erwachsenwerden zu stilisieren. Oder wie es der (angeblich) geläuterte inzwischen einundvierzigjährige Fry ausdrückt: "Ich bin ein Klischee, und ich weiß das."

Titelbild

Stephen Fry: Columbus war ein Engländer. Geschichte einer Jugend. Aus dem Englischen von Georg Deggerich.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 1998.
395 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3251004077

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch