Lauter spannende Geschichten

Martin Hann wirbt für das Buch der Bücher

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zweifellos ist die Bibel ein wichtiges Dokument der abendländischen Kultur. Selbst wer mit dem ,Buch der Bücher' nichts anzufangen weiß oder niemals in ihm gelesen hat, ist umgeben von seinen Bildern und Erzählungen, die, trotz Aufklärung und Einschränkungsversuchen ihrer Geltungsansprüche, im gesellschaftlichen Bewusstsein fortwirken.

Die Bibel ist, laut Goethe, das "Urdokument der Menschheit". Nach wie vor gilt sie als Bestseller. Gleichwohl ist sie vielfach - muss man wohl oder übel hinzufügen - ein "ungelesener Bestseller". Denn wer kennt sie überhaupt noch und ist in der Lage, sie zu lesen und zu verstehen, ohne dabei Schiffbruch zu erleiden?

Martin Hann, Gymnasial- und Seminarlehrer und Mitarbeiter von Schulbüchern, ist sich der Misere durchaus bewusst, dass kulturelle Überlieferungen und geschichtliches Wissen heute nicht mehr selbstverständlicher Bestandteil unserer Lebenswelt sind, obgleich ohne Kulturwissen wirkliches Verstehen von historischen und kulturellen Zusammenhängen nicht möglich ist. "Wer die Bibel-Anspielungen eines Textes nicht erkennt, wer nicht weiß, wohin die Argonautenfahrt ging, wem die Gretchen-Frage fremd ist, der übersieht wichtige Dimensionen kultureller Erinnerung", schreibt er in seinem Buch "Die Bibel" (erschienen in der Reihe "KulturKompakt"), mit dem er diesem Defizit abhelfen möchte.

Zunächst geht er der Frage nach: "Die Bibel - was ist das?" Was hat es mit ihr auf sich? Die Bibel ist, erläutert Hann, das Buch der Geschichte Gottes mit den Menschen. Sie antwortet auf drängende Fragen, doch nicht diskursiv wie die Philosophie, sondern indem sie Geschichten erzählt. Ihre Sprachform ist im Wesentlichen das Narrative, der Mythos. Im ersten Teil wird Gott als Handelnder erfahren. Im zweiten Teil dominiert Gottes Wort. Nun sind es die Menschen, die handeln. Im dritten Teil spricht Israel. Hier dominiert die weisheitliche Reflexion. Aber auch die Skepsis hat hier ihren Ort. Gott zieht sich im Lauf seines Buches offenbar immer mehr zurück und entlässt den Menschen immer mehr in Freiheit und Verantwortung.

Der Autor beleuchtet kurz die Zeit der Patriarchen, die Geschichte Israels in Ägypten und am Sinai, der Landnahme, die Epoche der Könige Saul, David und Salomo bis hin zur Abspaltung der Nordstämme. Von diesem Zeitpunkt an existieren zwei Köngreiche: das Südreich Juda mit Jerusalem und das Nordreich Israel mit Samaria. Es folgt das babylonische Exil und die nachexilische Zeit.

Der zweite Teil behandelt das Alte Testament mit der ersten und zweiten Schöpfungserzählung, mit den Büchern der Geschichte, der Weisheit, den Psalmen und den Büchern der Propheten.

Im Mittelpunkt des dritten Abschnitts steht das Neue Testament mit den Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, der Apostelgeschichte, dem Brief an die Römer und der Offenbarung des Johannes.

Martin Hann präsentiert zentrale Abschnitte des Alten und Neuen Testaments, zum Beispiel einzelne Psalmen, das Hohelied der Liebe und seine Deutungen, die Bergpredigt, die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter und vom verlorenen Sohn sowie die Passion Jesu. Manche Passagen lesen sich wie Predigten.

Eingeschoben sind hin und wieder erhellende und vertiefende Essays. In diesen werden theologische, philosophische und kulturgeschichtliche Aspekte der biblischen Texte diskutiert wie etwa das Verhältnis von "Gott und Mensch", "die Ursünde" und "die Frage nach dem historischen Jesus". Viele kleine schwarz-weiße Abbildungen zumeist bekannter alter Gemälde von Rembrandt, Dürer, Hieronymus Bosch, Michelangelo, Tintoretto, Vincent van Gogh und anderen Künstlern ergänzen die schriftlichen Informationen und sagen oft mehr aus als die Texte selbst. Schließlich sollen sie, wie der Verfasser hervorhebt, nicht nur der Illustration dienen, sondern in erster Linie der Interpretation. Leider sind die Abbildungen nicht von der allerbesten Qualität.

Was den Band ganz besonders auszeichnet, das sind sein überschaubarer Umfang und seine präzisen Grundinformationen, die dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung entsprechen dürften und ein solides Fundament abgeben für Schule, Studium und Beruf. Zudem erleichtern Literaturhinweise, Tabellen und Tafeln die Einordnung der einzelnen Texte sowie kleine Übungen am Ende eines jeden Kapitels das Verständnis des dargebotenen Stoffes.

Vor allem aber wird dem Leser anschaulich vor Augen geführt, wie viele spannende Geschichten die Bibel enthält. Erwähnt seien nur die Geschichte Jakobs, die Josefsnovelle sowie das Buch Hiob, das zu den ganz großen Werken der Weltliteratur gehört und schon viele Dichter inspiriert hat.

Wer weiß, vielleicht vermag das kleine Büchlein den ein oder anderen für die Lektüre der Bibel zu begeistern, zumindest auf sie neugierig zu machen.

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Martin Hann: Die Bibel. KulturKompakt in 3 Bänden.
UTB für Wissenschaft, Stuttgart 2005.
243 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3825225917

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