Fake for Real
Der Band „Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen“ von Romy Jaster und David Lanius erklärt kurz und sehr anschaulich ein zentrales Problem unseres digitalen Zeitalters
Von Sascha Seiler
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseErschienen in der Reclam-Reihe „Was bedeutet das alles“ und im berühmten Heftchen-Format des Verlags gehalten, gibt dieser von den Philosophen Romy Jaster und David Lanius herausgegebene Band (die Anspielung an Thilo Sarrazin im Titel ist natürlich beabsichtigt) eine gelungene Einführung in das brandaktuelle Thema ‚Fake News‘. Die Autoren geben sich größte Mühe, sowohl für ein Publikum zu schreiben, das die derzeitigen Diskussionen um den Begriff und seine Kontextualisierungen weniger verfolgt hat, als auch fachkundige Leser mit einer systematischen Herangehensweise zu beeindrucken. Natürlich bleibt es bei solch einem breit anvisierten Publikum nicht aus, dass der eine oder andere kundige Leser sich an Redundanzen und Wiederholungen stören wird, doch dank des wirklich gelungenen Aufbaus des Bandes fällt dies nicht allzu sehr ins Gewicht.
Dabei hangeln sich Jaster/Lanius an konkreten zeitgenössischen Beispielen entlang, die äußerst prägnant sind und auf die sie immer wieder zurückkommen, so etwa die berühmte, haarsträubende Falschmeldung, dass die Demokratische Partei in New York im Hinterraum einer Pizzeria einen Kinderpornoring betreibt. Dass sie dabei redlich um politische bzw. weltanschauliche Neutralität bemüht sind (was bei diesem Thema natürlich alles andere als einfach ist) beweist ihr zweites Leitmotiv: die Behauptung, Donald Trump hätte einst gesagt, er werde für die Republikanische Partei kandidieren, weil diese schließlich die dümmsten Wähler habe. Anhand dieser und anderer Beispiele von in die Welt gesetzten Falschmeldungen zeigen die Autoren nun Beschaffenheit, Funktion und Folgen von Fake News sowie Lösungsvorschläge auf. Hierbei verstehen sie ihr Buch durchaus pädagogisch, denn die Warnungen vor den Gefahren von Fake News ziehen sich durch die ganzen knapp 120 Seiten.
Im Mittelpunkt steht dabei nach einer kurzen historischen Einführung sowie einer Analyse, was Fake News genau darstellen und wie sie zu erkennen sind, das dritte Kapitel, in dem die Autoren ein nachvollziehbares Schema anbieten, wie Fake News im heutigen Medienzeitalter funktionieren und vor allem, warum sie „leichtes Spiel haben“. Hier werden derzeit viel bemühte Begriffe wie „Bestätigungsfehler“ (confirmation bias), Informationskaskaden, Echokammer oder Filterblasen expliziert und, wenn nötig, auch kritisch beleuchtet. Im vierten Teil wird dann auf die konkreten Auswirkungen von Fake News auf die Politik eingegangen und schließlich im letzten Kapitel der Versuch eines Lösungsvorschlags entworfen, wie man mit Falschmeldungen in Zukunft am besten umgehen kann. Dies hat man in den letzten Jahren zwar alles schon mal irgendwo gelesen, wo es meist fundierter und analytischer betrachtet wurde, doch ist das Ziel des Bandes ja auch ein anderes – nämlich kurz, anschaulich und für jeden verständlich auf ein großes Problem unserer Zeit hinzuweisen, dieses zu erklären und am Ende Lösungsvorschläge für den alltäglichen Umgang damit anzubieten. Und insofern ist dieses Buch äußerst gelungen.
Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz
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