Die Idee war gut

Dany Laferrières vielversprechender Roman „Ich bin ein japanischer Schriftsteller“ entpuppt sich als Schaumschlägerei

Von Martina KopfRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martina Kopf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Titel von Dany Laferrières Roman ist zweifellos mehr als vielversprechend: Ich bin ein japanischer Schriftsteller. Sofort denkt man da an komplexe Überlegungen zu poetologischen Fragen, zu Autorinszenierung oder schriftstellerischer Autoreflektion und meint sogar schon einen satirischen Seitenhieb auf Nationalliteratur erkennen zu können. Dies wird umso wahrscheinlicher, wenn man einen Blick auf Laferrières Biografie wirft: In Port-au-Prince geboren, ins kanadische Exil geflüchtet und nun in Montréal und Miami lebend, gehört er zu der Schriftstellergeneration, die sich in keine nationalen Schubladen stecken lässt. Und wie der Autor ist auch der Erzähler schwarz, was als geschickt inszenierter Kontrast zu stereotyper japanischer Blässe betrachtet werden könnte.

Allerdings wird ziemlich schnell deutlich: Der Titel hält nicht, was er verspricht. Tatsächlich geht es in dem Roman um einen schwarzen Schriftsteller in Montréal, der sich trotz seiner karibischen Herkunft nicht als karibischer Autor betrachtet, sondern lieber ein japanischer Schriftsteller sein möchte. Doch der Protagonist entpuppt sich bald als nerviger Schwätzer und Schaumschläger, der während der gesamten Handlung zudem kein einziges Wort schreibt. Und so ähnlich könnte man auch den Roman beschreiben.

Zunächst versucht der japanische Schriftsteller etwas dilettantisch mit japanischer Kultur in Montréal in Berührung zu kommen: Er kocht Lachs, liest den für seine Haikus bekannten japanischen Dichter Bashō in der Metro, verfolgt die japanische Sängerin mit dem wohlklingenden Namen Midori und ihre Clique, trinkt grünen Tee, lässt sich mit einem Mädchen aus Midoris Clique auf ein verhängnisvolles Techtelmechtel ein und tritt in Kontakt mit dem japanischen Konsulat, das ihm – und das ist tatsächlich witzig – direkt eine Übersetzung seines ungeschriebenen Werks anbietet. Zwischendurch geht es dann auch mal um Björk und Voodoo, bevor eine Japanerin über die asiatische Vagina philosophiert: „Aber die Vagina der Japanerin ist diagonal angelegt, die der Koreanerin horizontal. Ich weiß nicht, wie es bei der Chinesin ist, am Ende ist sie vertikal. Wir sind geometrische Mädchen.“ Mit geschmacklosen, ja geradezu anstößigen Dialogen und Bemerkungen dieser Art muss man in diesem Roman leider rechnen. Was wohl als „unwiderstehlich humorvoller Roman“ gedacht war – so heißt es wenigstens auf dem Klappentext – ist an manchen Stellen einfach nur peinlich.

Der Roman macht es seinen Leser*innen durch etwas lose angeordnete Kapitel und seine Sprunghaftigkeit sowieso nicht leicht, aber im letzten Viertel hat man den Eindruck, er flüchtet sich in eine völlig neue Episode: Erzählt wird nun die Begegnung mit einem alten Freund aus der karibischen Heimat und seiner Vorliebe für japanische Frauen. Immerhin bietet er aber auch eine interessante Passage, wenn Lafferière seinen über Autorschaft reflektierenden Protagonisten erklären lässt, dass er „immer die Nationalität des Lesers annehme“. Allerdings scheint auch dieses anregende Statement im Sande zu verlaufen.   

Ja, man hat den Eindruck, der Roman reißt spannende Themenkomplexe wie nationale versus transnationale Autorschaft und internationale Rezipierbarkeit an und hätte das Potenzial zu einer Satire auf Nationalliteratur, aber bei der Umsetzung hapert es leider gewaltig.

Titelbild

Dany Laferrière: Ich bin ein japanischer Schriftsteller.
Aus dem Französischen von Beate Thill.
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2020.
199 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783884236284

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