Ein Tanz mit dem Absurden

Mit „Benzin“ entführt der katalanische Schriftsteller Quim Monzo Lesende in die Sur-Realität und zeichnet ein sarkastisches Bild der Kunstwelt

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Benzin ist im Original bereits 1983 erschienen und jetzt von der Frankfurter Verlagsanstalt mit gehöriger Verzögerung aufgelegt worden. Der frühere Kriegsberichterstatter, Radiokommentator und Comiczeichner Quim Monzo zeigt schon in diesem frühen Roman seine unerschöpfliche Lust an absurden Entwicklungen und Konstellationen, an der von den Surrealisten zelebrierten Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms.

Quim Monzos Protagonist Heribert ist ein kometenhaft aufgestiegener Maler in New York, der mit 30 Jahren eine Schaffenskrise hat und dem zunehmend der Sinn für die Realität abhandenkommt. Er ist „sich der Dinge nicht mehr so sicher wie vorher“ und es ist ihm „als schlafe er wach und lebe er schlafend.“ Ihm kommen sowohl die Beziehungen zu seiner Frau und seinen Geliebten wie auch die Bezeichnungen, Kategorien und Klassifizierungen der Dinge durcheinander und er wandelt an den Grenzen von Traum und Realität durch sein Leben und die Stadt. Begleitet wird er dabei von den hyperrealistischen Szenarios Edward Hoppers. In einer slapstickhaften Szene wird er schließlich in einem Museum, das er mit einer jungen Geliebten besucht, fast von einer Skulptur erschlagen und seine Karriere droht zu enden.

In einem zweiten Teil blendet Quim Monzo auf den jungen Maler Humbert über, der mit perfider Planung in die Fußstapfen von Heribert tritt und ihm dessen Frau, die Galeristin Helena, sowie dessen Geliebte ausspannt. Er legt ebenfalls eine kometenhafte Karriere hin und wird zur Symbolfigur der Kunst in der globalisierten Welt. Er pflegt einen ungehemmten Eklektizismus „um in neuen Zusammenhängen etwas Neues zu schaffen“ und macht so die Stillosigkeit zum Stil.

Mit überbordender Fantasie und der Lust am Absurden führt Quim Monzo Lesende in eine Welt, für die die Dadaisten und Surrealisten die Tore und Wahrnehmungen geöffnet haben. Er zeigt die Brüchigkeit der Realität und überblendet mit Monologen und Bewusstseinsströmen die Wirklichkeit mit Traum und Imagination. Wie Edward Hopper lässt er das als meisterlicher Stilist mit seiner Prosa hyperrealistisch vor Augen treten – das ist durchaus unterhaltsam, droht aber auf Dauer durch eine letztlich völlige Beliebigkeit den Effekt zu verlieren und zu ermüden.

Auf einer zweiten Ebene zeichnet Quim Monzo in diesem Roman, der nach vierzig Jahren noch sehr frisch daherkommt, aber auch auf sarkastische Weise die absurden Mechanismen des Kunstbetriebs und seiner jeweiligen Hypes nach und entlarvt damit deren kunsttheoretische Begründungen. Und nicht zuletzt ist „Benzin“ auch ein Roman über die Beziehungen zwischen Mann und Frau, über die Eifersucht und das Begehren als ewiger Treibstoff des Lebens.

Titelbild

Quim Monzo: Benzin.
Aus dem Katalanischen von Monika Lübcke.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a. M. 2022.
256 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783627003029

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