Wenig Neues von Murakami

In seinem neuen Erzählband mischt der große japanische Autor Murakami erprobte Motive mit Autobiographischem, zeigt uns dabei aber wenig Neues

Von Felix HaasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Felix Haas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jedes Jahr wieder steht Haruki Murakamis Name ganz oben auf der Liste möglicher Gewinner des Literatur Nobelpreises. Bislang jedoch immer ohne Erfolg. Nun erscheint sein neuester Erzählband in deutscher Übersetzung bei Dumont. Und bereits im Klappentext von Erste Person Singular finden wir ein Zitat der Musikerin Patti Smith: „Solange Murakami leben und schreiben wird, wird er dieses Universum erweitern.“ Weitestgehend unbestritten bleibt, dass Murakamis Werk als Ganzes sicher die Grenzen des literarischen Universums ausgedehnt hat. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Autor mit seinem neuen Erzählband die Grenzen seines eigenen Werkes wirklich wesentlich erweitert. Nähert man sich dem Band als Leser, der bereits eine Handvoll seiner Bücher kennt und Neues sucht, wird man nur wenig davon finden.

Die acht Erzählungen warten mit einer Vielzahl wohlerprobter Murakami-Motive auf. Surrealistische Elemente – ein sprechender Affe, eine erfundene Charlie Parker Platte, die wirklich zu werden scheint – lassen sowohl Protagonisten wie Leser unsicher darüber, was Einbildung und was Realität ist. Immer wieder finden sich Themen aus Jazz und klassischer Musik ein. Die Erzählungen „Charlie Parker Plays Bossa Nova“ und „Carnaval,“ nach dem gleichnamigen Schumann-Stück, sind explizit um Musikthemen konzipiert. Und selbst der Affe in „Bekenntnis des Affen von Shinagawa“ entpuppt sich als Liebhaber Bruckners siebter Symphonie.

Es sind Grossstadterzählungen, viele haben autobiographische Verweise, alle sind rückblickend von einem Mann aus der Ich-Perspektive erzählt. „Wer war ich,“ scheint der mittlerweile 72-jährige Schriftsteller zu fragen und vielfach seinen jungen Ich-Erzählern Lebensweisheiten mitgeben zu wollen. „Nichts, was leicht zu haben ist, besitzt einen Wert,“ rät ein alter Mann in „Crème de la Crème“ dem Protagonisten, nur um sich in nichts aufzulösen, als der Erzähler einen Augenblick seine Augen schliesst. In „Gesammelte Gedichte über die Yakult Swallows“ konstatiert Murakami: „Tatsächlich gibt es im Leben mehr Niederlagen als Siege. Und die wahre Lebenserfahrung entsteht weniger aus dem Wissen, wie man einen Gegner schlägt, sondern vielmehr daraus, ein guter Verlierer zu sein.“
Doch spielen nicht nur das Leben jüngerer Protagonisten eine Rolle. An vielen Stellen finden wir auch Gedanken über das Altern und immer wieder auch über den Tod, ohne, dass der Autor dabei allzu sehr in Melancholie verfällt. So sei „…der Tod eines Traums trauriger als der eigentliche Tod.“

Die Erzählungen in Erste Person Singular sind von unterschiedlicher Qualität. In „Bekenntnis des Affen von Shinagawa,“ passiert wenig mehr, als dass ein sprechender Affe Bier trinkt und dem Erzähler den Rücken wäscht. Wohingegen „With the Beatles,“ nicht nur ob seiner Länge und Qualität stärker an Murakamis grosse Romane erinnert, sondern auch wegen Erzählelementen wie Selbstmord und der Zufallsbegegnung in der Grossstadt, die wir beispielsweise bereits aus Naokos Lächeln kennen – jenem Erfolgsroman, der einst im Jahr 2000 zum Eklat im Literarischen Quartett und dem anschliessenden Ausscheiden von Sigrid Löffler führte. Doch vermag keine der Erzählungen dieselbe Gewalt wie die grossen Romane des Autors entwickeln. Und so muss man dem Leser, der noch wenig Berührungspunkte mit diesem grossen Autor hatte, doch raten, zunächst anderes von ihm zu lesen.

Wenn Murakami einmal den Nobelpreis erhalten sollte, dann wegen Büchern wie Kafka am Strand, Naokos Lächeln oder 1Q84. Erste Person Singular wird ihn auf den Listen der Buchmacher kaum weiter nach oben befördern.

Titelbild

Haruki Murakami: Erste Person Singular. Erzählungen.
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe.
DuMont Buchverlag, Köln 2021.
224 Seiten , 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783832181574

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch