Kleist, was denn sonst?

Zwei neue Biografien und ein Sammelband widmen sich Kants "dunklem Zwillingsbruder"

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Nachdenken über das gesamtdeutsche preußische Erbe und über das Ende eines deutschen Sonderwegs ist - auch einige Zeit nach der Preußen-Ausstellung - ungebrochen aktuell. Genauso aktuell scheinen Fragen nach der Kontinuität und der Modernität der Romantik zu sein, zumindest wenn man sich den Erfolg von Rüdiger Safranskis "Romantik. Eine deutsche Affäre" vor Augen führt. Zudem mag das Eichendorff-Jubiläum des weiteren zur gegenwärtig lebendig geführten Diskussion um die Romantik und die Romantiker beitragen. Safranskis Erfolg ist - neben der Qualität des Buches - auch einer geschickten Werbekampagne zuzuschreiben: So warb der Carl Hanser Verlag für sein neues Opus im deutschen Herbst 2007 unter anderem mit dem kessen Spruch "Romantik, was denn sonst?"

Und in der Tat, die Diskussion um die Romantik als Geisteshaltung - zumindest in dem Verständnis, wie Daniel Kehlmann sie in seiner Dankesrede zur Verleihung des Kleist-Preises 2006 umschrieben hat - erfreut sich gegenwärtig gesteigerter Aufmerksamkeit. Wahrgenommen wird eine analoge Problemstellung, eine prolongierte vergleichbare Zeithaltung. Denn schließlich ist die Romantik, so Kehlmann, "nicht einfach die Liebe zur Natur, Mittelalter und Gespenstergeschichten, sondern die Entdeckung all dessen in der Kunst, während man gleichzeitig weiß, daß es im Leben verloren ist. [...] Das moderne Bewußtsein, das eben noch so weimarerisch prunkvoll seine Souveränität gefeiert hatte, betrachtete sich selbst, und der Anblick machte es unglücklich. Dieses Unglück ist noch das unsere."

Ob eine wie auch immer verstandene (deutsche) Romantik jedoch wirklich die "große Wasserscheide" ist, wie Ernst Gombrich und mit ihm Daniel Kehlmann in seiner Kleist-Preis-Rede meint, bleibt fraglich. Denn - und darauf hat jüngst Volker Gerhardt in seiner "Philosophiekolumne" im Novemberheft des "Merkur" (Nr. 702) gegen Safranskis Grenzziehung pointiert hingewiesen -, "auch die Romantik gehört zur Aufklärung". So zeige "der Erfolg der pseudonym erschienenen ,Nachtwachen des Bonaventura' an, was die Romantik sein wollte: die Wacht an der Nacht, die auf nichts so sehr angewiesen ist wie auf ein hellhöriges, feinste Regungen unterscheidendes und gleichwohl mit Erinnerungen beladenes Bewußtsein. [...] Nur insofern das Licht der Vernunft gegenwärtig bleibt, kann sich die Erkenntnis einstellen, daß Vernunft auch Grenzen hat und alles andere als alles ist." So gesehen verdanke sich "der romantische Impuls einer durch und durch aufgeklärten Zielsetzung", die im übrigen bekanntermaßen ein europäisch vielfältiges und permanentes "Vorspiel" besitze. Die Romantik erscheine daher nicht als "Wasserscheide", sondern eher als "Anhöhe, von der aus sich neue Zusammenhänge in einer Vergangenheit und Gegenwart umfassenden Vernunfttradition entdecken lassen", meint Volker Gerhardt.

Demzufolge verlassen die Romantiker die "Fundamente der Aufklärung" nicht. Kleist erscheint in dieser Sichtweise gar als Immanuel Kants "unmittelbarer Verwandter", als sein "dunkler Zwillingsbruder", wie Daniel Kehlmann im aktuellen Heft der Zeitschrift "Literaturen" mit Recht formuliert.

Diesem "preußischen Ikarus", um den Titel von Klaus Peters ebenfalls 2007 erschienener Aufsatzsammlung zu zitieren, diesem antiklassischen Klassiker Kleist, sind zwei beinahe zeitgleich erschienene Biografien gewidmet. Ein Moment, das angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren zwar mehrere umfangreiche Werkmonografien mit den verschiedensten literaturwissenschaftlichen Perspektivierungen erschienen sind, biografische Zugänge jedoch eher selten waren, zunächst eher verwundern mag. Berücksichtigt man die eingangs vermerkten Diskurse, scheint Verwunderung weniger angebracht, auch wenn das Kleistjahr 2011 noch etwas auf sich warten lässt. Zudem genießen Kleist und sein Œuvre seit Jahrzehnten sowohl in Forschung und Lehre als auch auf der Bühne anhaltend 'Konjunktur'. Besonders seit 1977, als sich der Geburtstag des Dichters zum 200. Mal jährte, lockt die "glasklare Rätselhaftigkeit und dunkle Eindeutigkeit" der Texte Kleists immer wieder zu aktualisierender Lektüre innerhalb der Literaturwissenschaft. Kaum ein Jahr vergeht ohne inspirierenden Sammelband, ohne Kleist-Tagung, ohne voluminöse Monografie, ohne gewichtige Dissertation oder gar Habilitation. Damit steht seit Jahren die lebenslange Erfolglosigkeit Kleists im reziproken Verhältnis zu seiner Gegenwärtigkeit, wie Klaus Müller-Salget 2002 in seiner überzeugenden und gründlichen Reclam-Einführung zu Leben und Werk Heinrich von Kleists formuliert: "Eben das, was den Zeitgenossen unheimlich war: die radikale Erkenntniskritik und die ebenso radikale Sprachkritik, gepaart freilich mit einer unvergleichlichen Fähigkeit zum plastischen Ausdruck und mit einem erstaunlichen psychologischen Blick für die menschlichen Abgründe, ist es dann gewesen, was Kleists Werken im 20. Jahrhundert den späten und großen Erfolg verschafft hat".

Insgesamt stand in den letzten Jahren jedoch weniger die Person als vielmehr das Werk im Vordergrund des Forschungsinteresses, nicht zuletzt, da die Quellenlage zu Kleist recht übersichtlich ist. Die letzte größere biografische Darstellung stammt von Rudolf Loch, dem langjährigen Direktor der Kleist-Gedenk- und Forschungsstätte in Frankfurt (Oder), der 2003 eine überarbeitete und erweiterte Fassung seiner 1978 bei Reclam Leipzig erschienenen Dichter-Biografie vorlegte. Der Versuch von Heinz Ohff (siehe literaturkritik.de 5/2005) aus dem Jahr 2004 war leider missglückt. Vermag Loch vor allem die frühen Jahre in Frankfurt anschaulich zu beschreiben, spiegelt er im weiteren Verlauf seiner Biografie immer wieder Leben und Werk ineinander, indem biografische Begebenheiten strukturell in den Texten Kleists zu entdecken sind, ein an manchen Stellen - etwa mit Blick auf die "Penthesilea" - fragwürdiges Unterfangen, durch das Bruchstellen in Leben und Werk Kleists allzu schnell verdeckt und harmonisiert werden.

Eine solche Engführung von Leben und Werk wissen sowohl Gerhard Schulz, emeritierter Germanistikprofessor im australischen Melbourne, als auch Jens Bisky, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin, in ihren voluminösen, gleichlautenden Büchern "Kleist. Eine Biografie" zu vermeiden. Schließlich wissen beide allzu gut, dass es "den einen Universalschlüssel zu seinem Verständnis" nicht gibt, wie Bisky formuliert, zumal Kleist in "seinen Briefen geradezu ein Meister der Suggestion und der versuchten Manipulation, nicht selten auch der Autosuggestion hinsichtlich bevorstehenden eigenen Glückes und Gelingens" ist, wie Schulz einleitend betont. Zur Rekonstruktion seiner Biografie seien daher "allein seine Briefe" zu befragen. "Sein dichterisches Werk aber ist nicht für unmittelbare autobiographische Auskunft benutzbar", bemerkt Schulz.

Insofern versucht er, kritische Distanz zu seinem Thema zu wahren, Fakten nüchtern zu interpretieren und sich eines sachlich-angemessenen, unaufgeregten, sich selbst zurücknehmenden Tonfalls zu befleißigen. Zugleich reflektiert er seinen eigenen Standpunkt: "Vergangenes Leben wird immer nur bruchstückhaft zugänglich sein oder gar, wie das Goethes Faust seinem erkenntnisstolzen Famulus Wagner erklärt, ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. [...] Gerade der Gegensatz von historischer Ferne und einer zeitlosen Nähe oder Ähnlichkeit menschlichen Empfindens macht wiederum den besonderen Reiz biografischer Studien aus, denn im Mittelpunkt steht die Suche nach einer Person und nach den Gründen für das Interesse an ihr." Dennoch dürfe der besondere Reiz nicht dahin führen, "die vielen Lücken in Kleists Lebensgeschichte zu füllen", "aus Vermutungen assoziativ Schlüsse zu ziehen" und so aus widersprüchlichen Lebenszeugnissen den "Eindruck von Konsequenz und Schlüssigkeit" zu erwecken. Geschieht dies, gestattet sich Schulz leisen Spott, insbesondere bei seiner Darstellung der Würzburger Reise: "Und wie immer erfinderisch Kleist über seine Würzburger Reise berichtete - die Kleist-Forscher sind es nicht weniger gewesen. Legenden wuchern, wo es an Tatsachen fehlt. Hypothesen gehören zur wissenschaftlichen Arbeit, denn sie sind Netze, und nur der wird fangen, der auswirft, um Novalis zu zitieren. Das freie unkontrollierte Spiel mit Vermutungen hingegen, von denen Kleists Biographien so reichlich durchsetzt sind, hat damit nichts zu tun. Überdies trägt es die Gefahr in sich, daß das Vermutete unter der Hand im nächsten Buch oder Aufsatz bereits zur Tatsache geworden ist."

Vor dem Bewusstsein, dass Kleists Briefe immer wieder in den "Bereich einer Fiktion" hinübergleiten, und der Tatsache, dass "straffe Lebensplanung", wie Kleist sie bei seiner Verlobten immer wieder angemahnt habe, anders aussehe, als das, was durch die Würzburger Reise folgte, widmet sich Schulz ausführlich jener geheimnisumwitterten Reise in die mainfränkische Residenzstadt. Kleist brach am 14. August 1800 zusammen mit seinem um fast zehn Jahre älteren Begleiter Ludwig von Brockes, dem Enkel von Barthold Hinrich Brockes, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit seinem "Irdischen Vergnügen in Gott" für "eine literarische Sensation" gesorgt hatte, zu einer Reise auf, "die ursprünglich überhaupt nicht nach Würzburg, sondern nach Wien führen sollte."

Unter der musikalisch-metaphorischen Überschrift "Enigma-Variationen" beleuchtet Schulz diese rätselhafte Reise und stellt dabei schon einleitend klar: "Was immer Kleist mit seiner Reise für Absichten verfolgte, er wurde durch sie und noch ohne bewußte literarische Ambitionen zum Erzähler." Die in den letzten Jahren immer wieder diskutierten wichtigsten Hypothesen - von der Vermutung, Kleist habe sich einer Phimose-OP unterziehen wollen, über die Hypothese, der Aufenthalt in Würzburg sei im Zuge einer möglichen Militär- oder Industriespionage etwa zur Herstellung von "Pickelgrün" erfolgt, über die Annahme, Kleist habe sich dort habilitieren oder magnetisch behandeln lassen wollen, bis hin zur These einer Kontaktaufnahme mit Freimaurern, um beruflich zu profitieren - sie alle können Schulz nicht überzeugen. Denn "alle Versuche, Kleists Geheimnis zu lüften, kollidieren irgendwann mit den Worten seiner Briefe, in denen er über eben dieses Geheimnis spricht. Wie immer skurril oder bizarr jedoch manche dieser Erklärungen sein mögen - Kleists eigene Fingerzeige, die er so freigebig über seine Briefe ausstreut, sind es nicht minder."

Vielleicht habe seine Reise gar keinen konkreten Zweck verfolgt, sondern möglicherweise habe er hinter dem "Schleier des Geheimnisses" seine Flucht vor den "Verbindlichkeiten der Realität" zu kaschieren versucht, also eine "Flucht in die Ohnmacht", wurzelnd in den "stärksten Katastrophen", die er "fast noch als Kind erlebte" - nämlich den frühen Tod des Vaters und, nur wenige Jahre später, den Tod der Mutter sowie seine Existenz als "Kindersoldat" - von der der diesjährige Kleist-Preisträger Wilhelm Genazino in seiner Dankesrede sprach. "Es ist, als hätte er die Kindheit und die Adoleszenz mit zusammengebissenen Kiefern ausgehalten", bemerkte Genazino pointiert.

So stellt sich für Schulz und den Leser, der seinen Argumenten gefolgt ist, die Frage, ob "jemand, der so laut und viel über ein Geheimnis redete, überhaupt eins besaß". Schulz' Fazit bleibt dennoch vorsichtig: "Was Kleist also zuallererst in die Welt hinaus trieb, war der Wunsch, etwas aus sich zu machen, nur daß er sich freilich selbst nicht im klaren war, was das denn nun sein könnte." Schließlich kehrte der "schwierige Mensch" Kleist zwar "mit leeren Händen nach Berlin zurück, wenn auch in dem Gefühl, daß ,die Sphäre für meinen Geist u. für mein Herz' sich ,ganz unendlich erweitert' habe."

Über weite Strecken gelingt es Gerhard Schulz anhand der Chronologie der Briefe, Kleist als Charakter begreifbar zu machen, ohne ihn starr zu fixieren, einen schillernden Zustand des schwierigen "Dazwischen", des Unzugehörigen, was Kleist selbst schmerzlich bewusst war: "Im Grunde hat er sich nie über die unvereinbaren Gegensätze, die Widersprüchlichkeiten seines Wesens und deren Unbeherrschbarkeit durch die Kontrolle nüchternen Verstandes getäuscht, und er hat das dann auch als Leiden empfunden."

Der Emeritus aus Melbourne folgt Kleists Lebenspfaden wie literarischen Spuren konzentriert und ohne Pathos bis zu den Schüssen am Wannsee und in die erste Zeit darüber hinaus, immer Distanz zwischen Leben und Werk wahrend, um seine Kleist-Biografie mit der an Varnhagen anschließenden Erkenntnis zu beenden, wonach die Deutschen sich Zeit gelassen hätten, die Meisterschaft der Kleist'schen Werke zu erkennen, "aber das Verlangen danach hat dann zum Glück an Intensität zugenommen und dauert unvermindert bis auf den heutigen Tag an."

Oder, wie Jens Bisky seine insgesamt pointierter geschriebene Biografie schließt: "Aber noch in den Hochgeschwindigkeitszügen des 21. Jahrhunderts lesen die Fahrgäste von Michael Kohlhaas, Käthchen und Penthesilea." Nicht zu vergessen sind der "Findling", die "Marquise von O...", "Amphitryon", "Prinz Friedrich von Homburg", "Die Verlobung in St. Domingo" oder "Der zerbrochne Krug".

Während Schulz dem "schwierigen" Menschen Kleist weitgehend anhand seiner Briefe folgt, zieht Bisky - in der Linie von Wolf Kittlers Habilitationsschrift "Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege" - zahlreiche Dokumente der Zeit heran, denn es bleibe "kein besseres Mittel, als die fehlenden Stimmen durch andere Quellen zu ersetzen, den Dichter in seiner Zeit erscheinen zu lassen", dabei immer wieder pointierend, zu- und überspitzend, etwa wenn er, anders als Schulz (und andere wie etwa Hilda M. Brown), nicht die Würzburger Reise als Beginn der Dichterkarriere begreift, sondern eher im Gefolge der so genannten "Kantkrise", jenem "Rendezvous mit dem Nichts", wie Bisky formuliert, als es Kleist endlich gelingt, "Unruhe, Ungewissheit über den nächsten Zweck und das fernste Ziel, Zweifel an den Wissenschaften, das Gefühl, im Ich eingesperrt zu sein und mit keiner äußeren Instanz rechnen zu können" in Sprache zu bannen. Dabei scheint der "Don Quijote der Aufklärung", Popularphilosophen seiner Zeit, allen voran Christian Ernst Wünsch goutierend, immer "dem Wahnsinn der Freiheit" nachzuspüren - bis in den Tod, so das Fazit von Bisky.

Dass das Thema Freitod im Zusammenhang mit der Romantik - etwa auch der der Günderode - und deren Todesvorstellungen bei beiden Biografien etwas unterbelichtet ist, sei hier nur am Rande vermerkt, wie auch die Aussage bei Bisky zu korrigieren ist, dass der Grabstein nicht im Garten des Kleist-Museums, sondern im Märkischen Museum liegt. Die Grabplatte im Garten des Kleist-Museums ist eine Kopie.

Klaus Peter, im amerikanischen Amherst lehrender Germanist, liest in seiner ebenfalls 2007 erschienenen Aufsatzsammlung "Ikarus in Preußen. Heinrich von Kleists Traum von einer besseren Welt", die drei bereits erschienene und einen unveröffentlichten Aufsatz bietet, Kleists letztes Stück "Prinz Friedrich vom Homburg" ebenfalls unter den bei Kleist aus der Romantik resultierenden Auspizien des ,Wahnsinns der Freiheit'. Der "Homburg" sei der romantische Versuch, Politik für ein anderes Preußen zu machen, sozusagen ein Versuch, dem die utopischen Züge jenes Wahnsinns der Freiheit eingeschrieben sind: "Kleists Traum von einem Staat, der ihm hätte Heimat sein können, [...] verschmilzt im ,Prinzen von Homburg' mit der spekulativen Idee eines Staates, der in der Lage gewesen wäre, Napoleon zu schlagen. Romantik und Politik bilden hier eine für Kleist - und so nur für Kleist - charakteristische Einheit. Mit der Romantik verbindet ihn der Traum; er ist revolutionär wie bei Novalis, in der Frühromantik, nicht wie in der Romantik später auf die Restauration der Vergangenheit, etwa des Mittelalters, gerichtet. Im Kampf gegen Napoleon aber traumatisierte Kleist die Politik. Die Revolution, deren Radikalität in der Romantik Wirklichkeit transzendiert, verleiht Kleists Kampf gegen die Franzosen Züge, die an Wahnsinn grenzen."

Während Peter mit enthistorisierenden Tendenzen der Kleist-Forschung am Beispiel des "Amphitryon" hart ins Gericht geht und sich in einem kurzen Beitrag zum Verhältnis zwischen Bertolt Brecht und Kleist anhand des "Homburg" widmet, gilt sein Interesse in einem abschließenden und erhellenden Beitrag den Höhen und Tiefen, dem Auf und Ab der Freundschaft zu Adam Müller.

"Dem ,Wahnsinn der Freiheit', des Umsturzes aller gewissen, festen Verhältnisse", so Jens Bisky in seiner Biografie, "hatte Kleist sein Leben verschrieben, gewidmet und ausgeliefert zugleich. Er war in diesem Punkt hellsichtiger als die meisten Historiker, die Staatsumwälzungen, Emanzipation und Freisetzung der Individuen mit gut sortiertem Weltbild bewerteten: nach Ideal und Wirklichkeit, positiven und negativen Seiten, fortschrittlichen und reaktionären Zügen. Kleist sah, dass der Wahnsinn so untrennbar zur Freiheit gehört wie die Raserei zur Vernunft, dass beide einander brauchen. [...] Dass er den Feinden in der eigenen Brust, dem glänzenden Elend des aufgeklärten Menschen Gestalt verlieh, mag ein Grund seiner ewigen Aktualität sein, die noch alle Historisierungsversuche überstanden hat."

Insofern darf die auch an den preußischen Prinzen von Homburg gemahnende Frage "Kleist. Was sonst?" durchaus immer wieder neu gestellt werden. Die Biografien von Bisky und Schulz laden hierzu gekonnt ein.


Titelbild

Klaus Peter: Ikarus in Preußen. Heinrich von Kleists Traum von einer besseren Welt.
Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2007.
131 Seiten, 29,00 EUR.
ISBN-13: 9783825352981

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Titelbild

Gerhard Schulz: Kleist. Eine Biographie.
Verlag C.H.Beck, München 2007.
606 Seiten, 26,90 EUR.
ISBN-13: 9783406564871

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Titelbild

Jens Bisky: Kleist. Eine Biographie.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2007.
528 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783871345159

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