Die Tyrannei der Domestizierung

Eva Geber hat ein Lesebuch mit Texten der Feministin Rosa Mayreder zusammengestellt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der mandelbaum verlag hat sich schon mehrfach um das Werk Rosa Mayreders, der vielleicht bekanntesten österreichischen Feministin, verdient gemacht, so im Jahre 1998 etwa durch Neuausgaben der beiden erstmals 1905 beziehungsweise 1923 erschienenen Aufsatzsammlungen „Kritik der Weiblichkeit“ und „Geschlecht und Gesellschaft“.

Nun war es zwar nicht der in Wien ansässige Verlag, der unlängst Mayreders Alterswerk „Der letzte Gott“ erneut zugänglich machte, sondern der ebenfalls in der österreichischen Hauptstadt residierende Böhlau Verlag. Vielleicht aber war der mandelbaum verlag an dem philosophischen Werk nicht so sehr interessiert, da sich Mayreder in ihm weniger als Feministin sondern eher als Schopenhauerschülerin zeigt. Soeben hat jedoch auch mandelbaum einen neuen Band mit Texten Mayreders auf den Markt gebracht. Er trägt den Titel „Zivilisation und Geschlecht“ und enthält eine Zusammenstellung einiger Texte der beiden erwähnten Sammelbände der Autorin. Darunter etwa den titelstiftenden Essay und „Die Tyrannei der Norm“, des weiteren die Aufsätze „Von der Männlichkeit“, „Einiges über die starke Faust“ sowie „Das imaginative Ich“. Auskunft darüber, woher die Artikel stammen, erteilt der Band indes nicht. Denn er lässt sowohl Angaben über die Erstdrucke wie auch über die Druckvorlagen der aufgenommenen Texte vermissen. Das macht die Zusammenstellung zwar keineswegs unbrauchbar, mindert ihren Wert für wissenschaftliche Arbeiten allerdings nicht unbeträchtlich.

Ediert hat die Sammlung Eva Geber, die auch schon für die Neuausgaben von „Kritik der Weiblichkeit“ und „Geschlecht und Gesellschaft“ verantwortlich war.

Dem nun erschienenen Band hat die Herausgeberin ein Nachwort beigegeben, in dessen Titel sie Mayreder als „visionäre Theoretikerin“ preist. Auch hier wird Mayreder ohne genauen Nachweis zitiert, sofern die Zitate den beiden Essay-Bänden entnommen sind, wie Geber in einer Fußnote vermerkt. Nicht, dass die Authentizität der Zitats bestritten werden soll. Doch wäre es hilfreich, wenn die Quellen genannt würden und man sie nicht mühsam selber suchen müsste. Wo etwa prangerte Mayreder die „Domestizierung des Weibes zur Mütterlichkeit“ an und wo klagte sie, „auch hervorragende Männer“ seien „gegenüber dem weiblichen Geschlecht Philister“?

Dennoch lässt sich das Nachwort mit Gewinn lesen. Dies nicht zuletzt darum, weil es einige Zitate aus Briefen Mayreders an Auguste Fickert enthält, in denen die radikale Feministin etwa die von dem gemäßigten Flügel der Frauenbewegung gepflegte „Ablehnung der Monogamie, samt Anbetung des ‚Götzen der Ehe‘“ kritisiert.

Da die ursprünglichen Sammelbände vergriffen sind, sei allen, die sich ein Bild von der Mayreder’schen Spielart machen möchten, der Kauf und die Lektüre des vorliegenden Lesebuches empfohlen. Es lohnt sich!

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Rosa Mayreder: Zivilisation und Geschlecht. Ein Lesebuch.
Mandelbaum Verlag, Wien 2010.
200 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783854763277

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