Angel und Spike – zwei flüssige Vampire

Marcus Recht beleuchtet die Gender-Konstruktion der sympathischen Vampire in der Kultserie „Buffy“

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Geht es um die vom bekennenden Feministen Joss Whedon geschaffene Kultserie „Buffy“, so interessieren sich Fans und Wissenschaft meist insbesondere für deren zahlreiche emanzipatorische Heldinnen. Zumal dann, wenn es um Fragen der Geschlechterkonstruktion geht. Dass sich allerdings – zumindest für die Gender-Forschung – auch ein Blick auf die männlichen Charaktere lohnt, zeigt Marcus Recht mit seiner Untersuchung zur Geschlechter-Konstruktion der beliebtesten männlichen Blutsauger der Serie, den beiden „sympathischen Vampiren“ Angel und Spike.

Die „popkulturelle“ Serie „verhandelt“ die Identitäten ihrer Charaktere „als instabil“ und lässt sie „von ‚gut‘ zu ‚böse‘ und wieder zurück wechseln, von hetero zu homo, von Mensch zu Monster, von aktiv zu passiv und von stark zu schwach“ wie der Autor eingangs hypothesenhaft konstatiert und für die beiden vampirischen Protagonisten von Spike und Angel sodann überzeugend nachweist, wobei deren Identität allerdings zumindest in einer Hinsicht festgeschrieben scheint. Sie fühlen sich durchgängig zum anderen Geschlecht hingezogen – und zwar ausnahmslos. Dennoch ist Rechts These evident, dass die Serie trotz ihres „ständigen Gebrauchs binärer Oppositionen“, die genannten (Gegensatz-)Paare „durch Ambivalenz, Mehrdeutigkeit und durch das hybride Genre destabilisiert“. So „verschwimmen“ die sie trennenden „Grenzen“ oder werden gar „umgekehrt“ und „subvertiert“. Damit eröffne die Serie „alternative Formen von Gender und Sexualität“.

Recht selbst vertritt einen gemäßigten Konstruktivismus, dem zufolge „große Anteile von Geschlecht konstruiert sind“, und legt den Fokus seiner Untersuchung ganz auf die Bildebene, die er zwar tatsächlich, wie von ihm angekündigt, detailliert untersucht; das Zusammenspiel der Bilder mit den Dialogen (oder gar der Musik) gerät dabei allerdings nur ausnahmsweise einmal in sein Blickfeld.

Was nun die Männlichkeitskonstruktionen der Vampire in „Buffy“ betrifft, so gründen sie Recht zufolge „auf einer bimodalen Unterteilung in alte und neue Männlichkeiten“, wobei erstere durchaus dezidiert „stark, gewalttätig, machohaft und monströs“ sein könne. Die neue Männlichkeit der nachtaktiven Wesen kennzeichnet er hingegen mit dem ebenso originellen wie zutreffenden Neologismus „Gender-Fluide“.

Bevor er sich seinem Untersuchungsgegenstand zuwendet, versucht er allerdings durch allerlei Hinweise auf „Abweichungen vom ‚Serientypischen‘“ einzelner Folgen der Serie und durch Vergleiche mit den Werken William Shakespeares und anderer kultureller Größen zu rechtfertigen, dass ‚Buffy‘ (ihm) ein würdiges Objekt wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses ist. Dieses Unterfangen ist allerdings ganz überflüssig. Denn eine solche Apologie haben weder seine Arbeit noch ihr Gegenstand nötig.

Die systematische Bildanalyse des an der Justus-Liebig-Universität in Gießen lehrenden Kunstpädagogen konzentriert sich auf drei Aspekte, die zugleich der Gliederung seines Buches dienen. Da ist einmal die – wie es zunächst ungewohnt vage heißt – „in irgendeiner Weise ‚gegenderte‘ Kleidung“ der Vampire, sodann, ihr – nicht immer ganz bekleideter – Körper und schließlich der Blick der weiblichen Charaktere und der Zuschauenden auf die Kreaturen der Nacht.

Während Angel durch seine der „Ikonographie“ James Deans entliehene Kleidung als „rebellischer, ewig jugendlicher, zerrissener und romantischer Held“ oder kurz als „Rebell der 1950er Jahre“ konstruiert werde, der „fast ausschließlich ernst und nachdenklich“ schaue, grinse Spike stets „diabolisch“ und seine Kleidung erinnere zusammen mit seinen kurzen, blonden und gegelten Haaren sofort an den Rockmusiker Billy Idol. Rebellisch aber sind sie beide. Und sie haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: die klassische Männlichkeit, welche die beiden Vampire auf je unterschiedliche Weise verkörpern, wird „demaskulinisiert“. Auch dies wieder auf verschiedene Weise. Im Falle Angels etwa durch seinen pinkfarbenen Motorradhelm, „der seine sorgfältig aufgebaute ernste Männlichkeit in Sekunden zum Einsturz bringt und diese gleichzeitig als Konstrukt entlarvt“, oder durch einen Teddybär und ein Stillfläschchen, mit der er seinen Sohn stillen will. Spike wird hingegen vorrübergehend in einen Rollstuhl verbannt und durch einen implantierten Chip der Fähigkeit beraubt, Menschen zu beißen und ihnen das Blut auszusaugen. In diesem Zusammenhang ist Rechts Interpretation einer Szene, in der Spike von seiner diesbezüglichen Impotenz noch nichts weiß und vergeblich versucht, Buffys hexische Freundin Willow zu beißen, als ausgesprochen gelungen hervorzuheben.

Besonders intensiv widmet sich Recht diversen Folterszenen, in denen Spike und Angel, aber auch schon einmal Buffys „Wächter“ Giles, gefoltert werden, wobei gerade die beiden Vampire in diesen Szenen oft in Kreuzigungsposen dargestellt werden. Stets, so der Autor, seien es Frauen, welche die – in diesen Szenen oft wenig bekleideten – männlichen Vampire foltern. Im Falle von Giles ist es die Vampirin Drusilla. Allerdings foltert Buffy in der Episode „When She Was Bad“ auch einmal eine Vampirin. Auch diesmal spielt ein christliches Symbol eine zentrale Rolle. Buffy steckt ihr ein Kreuz in den Mund, aus dem Rauch aufzusteigen beginnt, während ihr Gesicht sich vor Schmerz verzerrt.

Die Körper der beiden Vampire stehen für zwei zwar klassische, aber doch unterschiedliche Männlichkeitstypen. Ist Angel „muskulös und massig“, so besitzt Spike einen „dünnen, sehnig-muskulösen Körper“. Dabei sind beide Vampire „fast vollständig von Haaren befreit“. Dies hebt sie Recht zufolge einerseits über die „animalische menschliche Natur“ hinaus in den Bereich des „Übermenschen“, bringt sie zugleich aber auch „dem anderen Geschlecht näher“.

Zu den Glanzlichtern des Buches gehört Rechts Blickanalyse. Wiederholt wird der nackte Oberkörper von Spike und Angel zur Schau gestellt, wobei eine weibliche Protagonistin – meist Buffy – in hochgeschlossener Kleidung den Kontrast bildet, sodass der „sexualisierte und voyeuristische Blick“ nicht auf sie, sondern auf die Vampire gerichtet ist. Überzeugend gelingt es Recht zumindest für die Serie „Buffy“ die zuerst von Laura Mulvey vertretene These zu widerlegen, dass dieser „Gaze“ genannte Blick nur dem Mann möglich sei, „der damit seine überlegene Machtposition gegenüber der Frau ausdrückt, indem er sie durch Sexualisierung zum Objekt macht“.

Doch die titelstiftende Serienheldin kann, wie der Autor zeigt, „nicht nur die Trägerin des Gaze oder eines machtvollen Blicks sein“. Sie ist zu dem „mithilfe der Kameraperspektive“ und durch „ein Mehr an Kleidung, Subjekt und Heldin der Handlung im Gegensatz zum männlichen Vampir, der sich trotz körperlicher Größe meist unterhalb Buffys oder den anderen weiblichen Charakteren zeigt, dabei weniger bekleidet erscheint und schließlich zum Objekt des Blickes gemacht wird.“ Darüber hinaus widerlegt er Ann Kaplans These, der zufolge, eine Frau, „von welcher der ‚female Gaze‘ ausgeht, zwingend maskulinisiert werden müsse“. Wie er zeigt, trifft dies weder auf Buffy noch auf die Vampirin Drusilla oder die ehemalige Rachedämonin Anya zu. Ihr aller „Make-Up, Kleidung und Körperbau“ sind ungeachtet ihres female Gaze „klassisch feminin“.

Schließlich nimmt Recht auch die prekären sexuellen Beziehungen Buffys zu Angel und Spike unter die Lupe, wobei die Interpretation letzterer erhellender und tiefer ausfällt als dies bei Angel der Fall ist. Dies mag allerdings durchaus daran liegen, dass Spike der dunklere und damit tiefere der beiden Charaktere ist.

Titelbild

Marcus Recht: Der sympathische Vampir. Visualisierungen von Männlichkeiten in der TV-Serie Buffy.
Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2011.
343 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783593394213

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