Verwirrspiel
Daniel Glattauer stellt in seinem Roman „Ewig Dein“ den Mythos obsessiver Liebe infrage
Von Oliver Dietrich
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEigentlich hat dieser Roman alle Ingredienzien, die man für einen klassischen Liebesroman braucht: Da begegnen sich zufällig zwei Menschen, treffen sich dann wieder, und nach einiger Skepsis entspinnt sich doch eine zarte Romanze zwischen beiden. Sicherlich spielt zunächst noch etwas Skepsis eine Rolle, aber schließlich lässt man sich drauf ein.
Nein, keine Angst, Daniel Glattauer hat keinen Happy-End-Liebesroman verfasst. Das wird schon relativ zeitig klar, als Protagonistin Judith, Mitte 30 und Eigentümerin eines Lampenladens, an der Liaison zu zweifeln beginnt und ziemlich schnell deutlich wird, dass diese keine gemeinsame Zukunft haben wird.
Es lohnt sich aber an dieser Stelle, mal einen Blick auf die Problematik zu werfen: Der Architekt Hannes macht keinen Hehl aus seiner Zuneigung, und erreicht damit letztlich das komplette Gegenteil. Während er sich stetig in Judiths Leben hineindrängt, zieht sich diese vor ihm zurück und weicht seinem Druck aus. Dies scheint allerdings nicht zu gelingen – Hannes bleibt auch nach dem panikartigen Beenden der Beziehung seitens der Protagonistin omnipräsent, nicht nur in deren Leben, sondern auch in Freundeskreis und Familie.
Ein interessanter Kunstgriff Daniel Glattauers ist jedoch das Umlenken der Perspektive auf etwas ganz anderes. Im Zentrum der Handlung steht fortan nicht mehr nur die Bewältigung einer gescheiterten Beziehung, sondern die psychischen Folgen für Judith. Das geht sogar so weit, dass man die Bewältigungsmuster einer Lebenskrise aus psychologischer Sicht zu verfolgen glaubt. Depressionen und psychische Probleme als literarisches Thema? Das gab es in letzter Zeit schon, und zwar recht erfolgreich. Glattauer also nur ein Trittbrettfahrer? Nein: Man unterschätzt ihn, wenn man ihm nur eine Sarah-Kuttner-Kopie unterjubeln will. Da steckt mehr dahinter.
Und doch ist gerade dieses Verwirrspiel das Hochinteressante an Glattauers Roman. Man verfolgt den Weg Judiths hin zu einer Psychose mit derselben Hilflosigkeit wie die Protagonistin selbst, und die geschilderte Konstellation wirkt sogar einigermaßen einleuchtend. Sicher, zwischenmenschliche Beziehungen bergen ausreichend Konfliktpotenzial, um nicht selten in seelischen Katastrophen zu enden. Das nimmt man eben so hin, und merkt dabei überhaupt nicht, dass Glattauer einen den berühmten Holzweg entlanglaufen lässt.
Genau das ist das Schöne an „Ewig Dein“: Rechne mit dem Unberechenbaren. Vielleicht ist es eben auch der viel gelobte österreichische schwarze Humor, der das Spiel mit durchschaubaren Erwartungen letztlich doch in etwas gänzlich Unerwartetes münden lässt. Nichts, aber auch gar nichts ist am Ende so, wie es scheint – und so ist es eine geradezu hämische, schwarzhumorige Überraschung, die am Ende des Buches auf den Leser lauert. Eine lesenswerte Erzählung, die sich flott liest und nicht nur für Beziehungsskeptiker bestens geeignet ist.
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