Hauptsache glücklich!
Franz Josef Wetz resigniert vor dem Mangel an Religion
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseFranz Josef Wetz ist Philosoph, Germanist und Theologe. Vor allem Theologe, wie sein neues Buch "Die Kunst des Resignierens" deutlich macht. Auf 193 Seiten leidet er an der Unmöglichkeit, an Gott glauben zu können. "Genaugenommen" so sagt er, sei "Gleichgültigkeit gegen Religion sogar noch schlimmer, als wenn über sie gelacht würde." Das kann man insofern verstehen, als diejenigen, die sich wenig für das Christentum interessieren und denen die Frage nach der Existenz Gottes gleichgültig ist, auch seinem Buch kaum etwas abgewinnen dürften.
Ohne Gott, so der über den "religiösen Analphabetismus" unserer Zeit klagende Autor, seien Dasein und Welt ohne Sinn. "Trotzdem glücklich" zu sein, das sei die "Kunst des Resignierens", die es zu erlernen gelte. Die Rede von der "Sinnlosigkeit" des Daseins sei jedoch "anmaßend" , ja "überheblich". Denn in dem Begriff stecke "der Vorwurf, daß die Wirklichkeit unseren Ansprüchen nicht genüge, menschliche Sinnbedürfnisse unerfüllt lasse". Sie drücke also "eine Mangelerscheinung" aus, "eine Entbehrung, eine unbefriedigte Sehnsucht oder Enttäuschung". Falls es zutrifft, dass es ein menschliches Bedürfnis nach Sinn gibt, ist allerdings nicht ganz einleuchtend, wieso die Klage darüber, dass es unbefriedigt bleibt, anmaßend sein soll. Jedenfalls macht der Autor allenthalben ein "nihilistisches Gefühl allgemeiner Sinnlosigkeit" aus, das zu einer "Sinnjagd" führe, die "selbst vor den Toren der Arbeitswelt nicht halt" mache. Fast meint man den Hinweis zu hören, dass man doch im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu verdienen habe. Andererseits klagt der Autor, dass man heutzutage Ecstasy nimmt, "um nur einfach am Samstag abend gut drauf zu sein", während man in den guten alten "60er Jahren noch Marihuana oder Haschisch rauchte und LSD nahm, um Transzendenz zu erfahren" oder gar um "Gott zu schauen".
Spaßgesellschaft und Sinnjagd, zwei gegensätzliche Versuche also, mit dem Leben zurecht zu kommen. Schuld an letzterer sei zum einen "ein überzogener Egozentrismus" und zum anderen "die Gesellschaftsstruktur". Allerdings fällt ins Auge, dass das vom Autor propagierte Streben nach persönlichem Glück so unegoistisch auch nicht ist. Das Leiden anderer oder gar Altruismus spielen angesichts des Verlustes von Gott und Sinn und dem Willen, trotzdem glücklich zu sein, eine eher untergeordnete Rolle. Finden wir uns nur damit ab, dass es Gott nicht gibt - was nicht jedem so schwer fallen dürfte wie dem Autor - und üben "Sinnverzicht", können wir die "sinnindifferente Wirklichkeit [...] als faszinierendes Schauspiel erfahren". Schopenhauer würde dem Ästheten, der es sich in der Loge bequem machen will, allerdings ins Stammbuch schreiben, dass er sich irrt, wenn er die Welt für bloßes Theater oder, wie der Willensmetaphysiker sagte, für einen "Guckkasten" hält. Vielmehr sei sie ein wirklich Fressen und Gefressenwerden, ein endloses Leiden zahlloser Kreaturen. Um so schlimmer, so könnte man Schopenhauer assistieren, wenn sich ein Gott oder irgendein Sinn dahinter verbergen sollte!
Vermutlich könnte man zudem die Frage aufwerfen, ob es nicht "anmaßend" und "überheblich" sei, in Anbetracht des ubiquitären Leids glücklich sein zu wollen. Zumindest ließe sich der Vorwurf mit nicht weniger Recht erheben, wie der des Autors gegen die menschlichen Sinnansprüche. Dass der Mensch glücklich sei, meinte etwa Freud, sei im Plan der Natur nicht vorgesehen. Dem dürfte allerdings auch der Autor seine Zustimmung nicht versagen, beschreibt er doch "alle Kultur" als "eine Art Notwehr - eine Antwort auf die prekäre Lage des Menschen".
Vier mögliche Wege, so Wetz, stehen uns angesichts der "Weltvergeblichkeitserfahrung" grundsätzlich offen. Jedoch sei nur einer wirklich gangbar. Der Nihilismus sei "im Grunde unerträglich" und "Götzenkult" jeglicher Art "auf Dauer unhaltbar", zudem "gefährlich". Die "Erneuerung des christlichen Glaubens" - für den Autor ganz offensichtlich erstrebenswert - hält er für "eher unwahrscheinlich". Also bliebe nur noch "die Absenkung unserer Sinnansprüche". Eben in dieser "freiwilligen Sinnbescheidung und Unterwerfung unter das Unverfügbare" bestehe die "Kunst der Resignation", die es ermögliche, "trotzdem glücklich" zu sein.
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