Unausschöpflich, formal gewagt und hochreflektiert

Ein Bildband von Helmut Böttiger stellt Ingeborg Bachmann vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Anzahl der Bücher, die Ingeborg Bachmann im Laufe ihres Lebens veröffentlichte, ist durchaus überschaubar. Nicht so die derjenigen, die über sie publiziert wurden. Und alljährlich kommen weitere hinzu. Unter ihnen befindet sich hin und wieder auch einmal ein Bildband. Eine Reihe, in der sich Wort und Bild die Waage halten, wird vom Deutschen Kunstverlag betreut. Ihr jüngster Band ist nun der österreichischen Literatin gewidmet. Helmut Böttiger hat ihn geschrieben und wohl auch die Fotos zusammengestellt.

Da die Reihe unter dem Signet „Leben und Bilder“ firmiert, steht nicht das Werk, sondern die Person der Literatin im Mittelpunkt, deren Texte der Autor vor allem heranzieht, um in ihnen nach biografisch verwertbaren Hinweisen zu suchen. Böttigers biografisches Interesse wiederum konzentriert sich weitgehend auf Bachmanns erotische Beziehungen zu Männern, die er wie Perlen auf einer Schnur aneinander reiht. Die Liebschaften werden von Böttiger zu einem nicht geringen Teil im Lichte der Werke, insbesondere der Gedichte, aber auch der Erzählungen, der Romanfragmente und des einzig vollendeten Romans „Malina“ betrachtet. Dabei verkennt der Autor allerdings keineswegs, dass Bachmanns Œuvre weit davon entfernt ist, sich aufs Biografische reduzieren zu lassen, wie auch umgekehrt „allzu kurze Rückschlüsse von den biographischen Bruchstücken, die bisher bekannt sind, auf ihr Werk wenig hilfreich“ sind, wenn es darum geht ist, ihre Werke in all ihrer Teife zu erfassen. Im Falle „Malinas“ etwa sei vielmehr „das binnenliterarische Verweissystem“ des „unausschöpflichen, formal gewagten und hochreflektierten“ Romans „maßgeblich“.

Nicht die Lektüre des Werkes eröffnet Böttiger zufolge den Weg zum Verständnis der Person Bachmann. Vielmehr könne man sie auch als Autorin „nur verstehen, wenn man den Zusammenhang sieht zwischen ihrer Lebensgier, ihrem spielerischen Überschwang und den zum Teil schwerwiegenden Erfahrungen, die dass dann grundieren“. Und dazu gehören ihr „ernüchternde Erfahrungen mit Männern“, wie Böttiger mit vornehmer Zurückhaltung formuliert.

Der Bildteil des Bandes bietet nicht nur zahlreiche Fotographien, von denen die meisten schon häufig abgedruckt wurden, sondern auch Faksimiles eines Briefes an Walter Höllerer oder von Viktor Krafts „Beurteilung der Dissertation“ Ingeborg Bachmanns, in der sie von ihrem Doktorvater bescheinigt bekommt, dass sie „die Kritiken, welche die Existenzialphilosophie Heideggers erfahren hat“, „referiert, soweit sie der Verfasserin zugänglich waren“. Alleine damit würde man heutzutage wohl nicht einmal die Prüfung zum Bachelor passieren. Kraft aber genügte diese Leistung Ende der 1940er-Jahre, um Bachman die Doktorwürde zu verleihen. Denn sie habe damit „eine Arbeit geleistet“, „die noch nicht vorliegt“, was angesichts „der Dunkelheit der Sache keine leichte Aufgabe“ gewesen sei. Tatsächlich hat Bachmann in ihrer Promotionsschrift allerdings doch ein wenig mehr geleistet, wie auch Böttiger bemerkt, ohne allerdings kritisch auf Krafts Beurteilung Bezug zu nehmen.

Text und Bilder des nicht allzu umfängliche, aber ästhetisch ansprechend aufgemachten Bandes sind in ihrem Zusammenspiel durchaus geeignet, das Interesse seines Publikums über die Person der Autorin hinaus auf deren Werk hin auszudehnen. Schon alleine darum ist sein Erscheinen zu begrüßen.

Kein Bild

Helmut Böttiger: Ingeborg Bachmann.
Deutscher Kunstverlag, Berlin 2012.
64 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783422071551

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