Glauser im Kopf

Hannes Binder erweitert seine Sammlung von Glauser-Illustrationen um eine sehr persönliche Geschichte

Von Beat MazenauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Beat Mazenauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit 25 Jahren beschäftigt sich der 1947 geborene Illustrator Hannes Binder mit dem Werk von Friedrich Glauser. Anfänglich beschritt diese bildnerische Zuneigung die üblichen Wege. Binders Interpretation des Romans „Der Chinese“ (1988) und zwei Jahre später von „Krock & Co.“ waren wunderbar gezeichnete Comic-Romane. Glauser wurde so in neuer Form einem neuen Publikum erschlossen.

Bald indes deutete sich ein Wandel an. Im Vorwort zu „Glausers Fieber“ schrieb Binder 1998, dass seine bisher „obsessiv“ betriebene Auseinandersetzung mit dem Autor einer Prüfung unterzogen werde. Den Roman „Die Fieberkurve“, der schon Glauser selbst immer wieder aus den Händen glitt, konnte auch der Illustrator nicht mehr in eine schlüssige Bilderspur zwingen. Deshalb änderte Binder seine Strategie, indem er Glausers Biografie mit dessen eigener Fiktion vermischte und in der Art eines schwarz-weißen Fiebertraums aufhob.

Erstmals hatte Binder das Verfahren schon zwei Jahre früher im Buch „Wachtmeister Studer im Tessin“ erprobt. Basierend auf einer fragmentarischen Romanidee Glausers machte Hannes Binder den Autor und dessen Titelhelden direkt miteinander bekannt. Als Wachtmeister Studer die Fährte eines Verbrechens aufnimmt, gerät Glauser als möglicher Täters in sein Blickfeld. Am Ende will der Jäger die Lösung des Falles aber gar nicht wissen, schließlich weilt er in den Ferien. Eine verräterische Kumpanei mit seinem Autor?

Der umfangreiche, schön aufgemachte Band mit dem schlichten Titel „Glauser“ versammelt die sechs alten Bildergeschichten nochmals und erweitert sie um eine neue, sehr persönliche Variation. Ihr Titel trägt den programmatischen Titel: „Glauser im Kopf“.

Über Jahre hinweg hat sich die Beziehung zwischen Hannes Binder und Friedrich Glauser immer mehr zu einem System von zwei kommunizierenden Röhren entwickelt. Binder ist Teil von Glausers Werk geworden, und Glauser geht bei Binder ein und aus, wie es ihm beliebt. Es handelt sich dabei um mehr als eine bloße Kopfgeburt. Binders Glauser hat längst Eigenleben erlangt.

Diese wunderliche Konstellation hat der Künstler in einer Serie von fantastischen Schabkartonbildern fest gehalten, die unbelastet, frei mit dem Glauser-Stoff umgehen und ihn eng mit der eigenen Biografie verknüpfen. Diesen je eigenständigen Bildern hat Binder einen längeren Text zur Seite gestellt, gewissermaßen als gewiefte Illustration mit Worten. Er gibt sich als lockere Folge von kurzen Beobachtungen, Szenen, Notaten und Einfällen aus, der mit Fortdauer der Lektüre ein narratives Muster zu erkennen gibt.

Binder erinnert sich. Er kehrt in Gedanken nach Mailand und nach Hamburg zurück, wo er in den 1970er-Jahren als Grafiker arbeitete. Vor allem aber blickt er zurück auf Kindheitsszenen in seinem Elternhaus gleich neben dem Zürcher Manegg-Friedhof, wo Friedrich Glauser seit 1938 begraben liegt. Text und Bild kontaminieren sich immer mehr gegenseitig und beginnen einander zu durchdringen.

Mit Verweisen auf seinen Lieblingsautor gibt der Illustrator und Autor Hannes Binder so Einblick in eine Faszination, die sein Leben seit nunmehr 25 Jahren prägt. Begleitet von diesen wundervollen, detailreichen, stupenden Bildern in schwarz-weiß, die längst zu seinem Markenzeichen geworden sind.

Titelbild

Hannes Binder: Glauser. Sieben gezeichnete Geschichten von, zu, mit und um Friedrich Glauser. Um eine Geschichte erweiterte Neuausgabe von "Nüüd appartigs ...".
Limmat Verlag, Zürich 2012.
560 Seiten, 57,00 EUR.
ISBN-13: 9783857916526

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