Zwischen den Umbrüchen

Der Verleger Elmar Faber blickt in seinen Memoiren „Verloren im Paradies“ auf sein Leben zurück

Von Michael EschmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Eschmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Elmar Faber wurde 1934 in Thüringen geboren. Er studierte Germanistik in Leipzig, wo der damalige Dozent Hans Mayer es verstand, ihn für Literatur zu begeistern. Von 1959 bis 1968 hatte Faber eine Anstellung als Redakteur, später wurde er Chefredakteur einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Seine Berufung sah und sieht er aber im Büchermachen.

Als Verlagslektor begann er 1968, zwei Jahre später war er bereits Programmchef, dann folgte 1975 eine Anstellung als Verleger von Edition Leipzig, Verlag für Kunst und Wissenschaft. Von 1983 bis 1992 war er Verleger des Aufbau-Verlages. Nach Verlassen des Verlags gründete er 1991 den eigenen Verlag Faber & Faber. Sein Lebensbericht beschreibt vorwiegend die Arbeit eines Verlegers in der DDR. Der Aufbau-Verlag, der gerne als der Suhrkamp Verlag des Ostens bezeichnet wurde, brachte bis zur Wiedervereinigung fast jeden Tag ein Buch heraus. Die Arbeitsleistung der 180 Mitarbeiter erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 30 Millionen Mark, der für DDR-Verhältnisse einmalig war.

Ziel war stets, anspruchsvolle Literatur zu verlegen, was auch gelang. Bis zur Wende. Dann setzten sich im Verlag, bedingt durch einen Inhaberwechsel, neue Sichtweisen innerhalb der Programmgestaltung durch. Das Thema Geld – in all seinen Facetten – nimmt einen breiten Raum des Buches ein. Wie ein Fluch verfolgt es den Leser. Der Beruf des Verlegers war aber auch in der DDR durch Geld und nicht nur durch Idealismus geprägt. Ständige Lizenz- und Devisenverkäufe gehörten ebenso zum Alltagsgeschäft, wie Missstände einer Mangelwirtschaft durch Fantasie und Listigkeit auszugleichen. All dies konnte Elmar Faber. Papierknappheit, Druckgenehmigungen und Verhandlungen mit Autoren werden lebendig geschildert. Der Verleger wird geradezu zum literarischen Erzähler, wenn er Naturlandschaften seiner thüringischen Heimat einfühlsam und klar beschreibt.

Leider hält er diesen Stil nicht konsequent durch. Geht es um menschliche Begegnungen, Enttäuschungen und Erlebnisse in Ost und West, geht auch schnell einmal der „Gaul mit ihm durch“. Jetzt findet an mancher Stelle eine drastische Formulierung einen zu unschönen Ausdruck. So verständlich es ist, Ärger über menschliches Fehlverhalten in deutliche Worte binden zu wollen, so disharmonisch bleibt es jedoch im Hinblick auf einen gesamten Erzählstil.

Im letzten Drittel des Buches geht es ausführlich um das Thema Wiedervereinigung. Autobiografien haftet der berechtigte Vorwurf an, sie würden, bedingt durch die subjektive Form des Erzählens und Reflektierens, Geschehnisse zu einseitig und dadurch zu eingeengt bewerten. Im vorliegenden Fall trifft dies auf den angeblichen Ausverkauf der DDR zu. Es mag ja durchaus vorstellbar sein, dass die Treuhand viele Verkäufe unklug und dadurch auch zu schnell abgewickelt hat. Aber hätte sie sich dafür noch mehr Zeit gelassen, wäre alles noch teurer geworden. Ähnlich ist die Situation mit Investoren. Jene holte man sich eigentlich nur unfreiwillig, weil man eben Kapital benötigte, ins Unternehmen. Spätestens jetzt aber hätte klar sein müssen, dass auch das einen hohen Preis haben würde und eigentlich nicht gut ausgehen konnte.

Als neue Teilhaber wollten die Investoren ein Mitspracherecht in der Verlags- und Programmgestaltung haben. Auch dann, wenn sie vom eigentlichen Verlagsgeschäft nichts verstanden. Aber davon einmal abgesehen, stellt sich dem Leser dieser Erinnerungen immer wieder die entscheidende Frage, was denn letztendlich gute Literatur überhaupt sei? Das Buch beantwortet dies auf seine Art und Weise: Erzählt wird eine kleine Geschichte aus der thüringischen Heimat des Autors, wo er einst als Kind die Vogelsteller beobachtete. Letztere fingen Singvögel ein, und trotz der Gefangenschaft behielten die Tiere die Gewohnheit des schönen Gesangs bei. Hier drängt sich ein Vergleich mit den Literaten der DDR geradezu auf. Auch sie, in einem System gefangen, verloren ihre schriftstellerische Begabung trotz Einschränkungen nicht. Viele von ihnen, darunter zahlreiche Autoren aus dem Aufbau-Verlag, besitzen bleibenden Wert in Aussage, Kraft und Stil. Qualität ist ungebunden an jegliche Form von Ideologie. Die künstlerisch geschaffenen Figuren leben in Dramen, Erzählungen und Romanen fort. Durch ihre Entscheidungen, Handlungen und Konflikte bleiben sie authentisch. Dies gilt auch für Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung. Gute Literatur ist zeit- und grenzenlos.

Titelbild

Elmar Faber: Verloren im Paradies. Ein Verlegerleben.
Aufbau Verlag, Berlin 2014.
398 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783351035723

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