Geheimnisvoll und glamourös

„Audrey Hepburn: Portraits einer Ikone“ ist der Bildband zu einer Foto-Ausstellung in London

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer den Namen Audrey Hepburn hört, denkt vermutlich sofort an „Frühstück bei Tiffany“ (1961) und die anderen Filmklassiker wie „Ein Herz und eine Krone“ (1953) oder „Charade“ (1963), mit denen die Schauspielerin in den 1950er- und 60er-Jahren weltberühmt wurde. Doch sie war viel mehr als ein liebenswerter Star. Sie gilt als Mode-Ikone; sie war eine verträumte, fröhliche und selbstbewusste Frau, deren unverwechselbarer Stil bis heute großen Einfluss auf die Modewelt hat. Mit dem kurzen schwarzen Kleid und der übergroßen Sonnenbrille in ihrer Rolle als Holly Golightly genauso wie in Ballerinas, ärmellosen Blusen, Trenchcoat und Dreiviertelhosen prägte sie einen zeitlosen Look. Der neue Bildband „Audrey Hepburn: Portraits einer Ikone“ ist eine Sammlung von 92 Tafeln und 67 Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß, anhand derer sich ihr Weg zur Ikone nachzeichnen lässt. Es ist die deutsche Ausgabe des eine Ausstellung der National Portrait Gallery in London begleitenden Katalogs. Kuratorin Helen Trompeteler konstatiert in dem Bildband, dass der Analyse der fotografischen Ikonographie Hepburns „bisher noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde“. Die Ausstellung und der Katalog ermöglichen nun einen intimen Blick auf „eine der meistfotografierten Schauspielerinnen ihrer Generation“. Um die Annäherung nicht zu verstellen, verzichteten die Kuratoren auf lange erklärende Texte. Die den Bildern zur Seite gestellten Untertitel bestehen aus wenigen Worten, meist nur aus der Situation, dem Aufnahmejahr und dem Urheber des Fotos.

Die Fotos präsentieren Audrey Hepburn in ihren größten Filmrollen, in privaten Situationen von der Kindheit bis kurz vor ihrem Tod 1993, als Mode-Ikone und während ihrer UNICEF-Tätigkeit in Afrika. Hepburn, im Jahr der Weltwirtschaftskrise 1929 geboren, wusste, was Armut und Hunger bedeuten, da sie im Winter 1944 selbst hungern musste. Die Fotos, die Hepburn im Sudan und in Somalia mit hungernden Kindern zeigen, zeugen von ihrem Engagement gegen das Leid – und wie es sie traf. Sie lächelt, aber ihre Augen sind ernst. Audrey Hepburn spielte meist fröhliche Filmrollen, ihr Lächeln ist berühmt. Der Bildband erlaubt einen Blick hinter das Lächeln und so findet auch die Traurigkeit ihren Ausdruck in den Fotografien – und in Audrey Hepburns Augen.

Der Verlust des Vaters, der die Familie im Krieg verlassen hatte, blieb zeitlebens eine Tragödie für sie und prägte später auch die Beziehungen, die sie mit ihren Ehemännern führte. Schüchtern ertrug sie es, wenn zu Hause Dinge gesagt wurden, denen sie eigentlich widersprechen wollte. Auf der Suche nach dem privaten Glück durchlitt Hepburn drei Fehlgeburten. Meist sind in ihren Augen zugleich Träume, Sehnsüchte, Melancholie und ein unbezwingbarer Lebenswille, Freude und Zuversicht zu erkennen. Ihre schier unergründbaren Augen stehen seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der Betrachtungen dieser außergewöhnlichen, zugleich glamourösen und geheimnisvollen Schauspielerin – so auch hier in diesem Bildband.

Selten sind Hepburns Augen schüchtern niedergeschlagen wie in einer Modefotografie von Antony Beauchamp aus dem Jahr 1949. Im Zentrum der Kopfaufnahmen, Kostümportraits und Kreativaufnahmen stehen fast immer die offenen, großen Rehaugen der Schauspielerin. Immer wieder kehrt der Blick zu ihnen zurück. Atemberaubend ist eine Fotografie, die Hepburn als Holly Golightly während der Dreharbeiten zu „Frühstück bei Tiffany“ beim Juwelier zeigt. Der Hintergrund verschwimmt in Unkenntlichkeit, schemenhaft ist eine Dame vor einer Vitrine zu erkennen, ein Kronleuchter ist zu erahnen. Im Zentrum sitzt Hepburn am Tisch – Handschuhe, Perlenkette, Givenchy-Abendkleid, das Kinn auf die eine Hand gestützt, eine Zigarette glimmt auf dem Zigarettenhalter in der lässig abgewinkelten anderen. Vor ihr auf dem Tisch prunkt ein blendendes, goldglänzendes Teeservice. Doch nur das Gesicht Hepburns ist scharf, weswegen jeder schweifende Blick unweigerlich in die Mitte des Bildes wandern muss. Ein zartes Lächeln umspielt ihren roten Mund, die wie immer von einem langen Kajalstrich betonten Augen sind weit geöffnet. Ihr Blick ist zugleich wach und verträumt. Obschon leicht neben die Kamera sehend, scheint Hepburn den Betrachter des Fotos wahrzunehmen. Es entsteht eine aus der zeitlichen Linearität gelöste Verbindung. Viele Bilder des Katalogs verlangen den Dialog mit der Dargestellten. Sie laden dazu ein, „mit dem Filmstar Blickkontakt aufzunehmen, während Hepburn gleichzeitig auf verführerische Weise unerreichbar bleibt, indem sie sich charmant von der Kamera abwendet“, analysiert Helen Trompeteler.

„Ihre verträumten Augen sahen Dinge, die ich nicht sehen konnte“, schreibt auch Luca Dotti, der dem Bildband einleitende Worte vorangestellt hat. Die Ausstellung wurde von Sean Hepburn Ferrer und Luca Dotti, Audrey Hepburns Söhnen, unterstützt und begleitet. Luca Dotti berichtet in seinem Vorwort, dass auch heute noch ein großes Interesse an seiner Mutter bestehe – vor allem daran, wer sie wirklich war. Das in den Medien rund um den Welterfolg in Hollywood gezeichnete Bild seiner Mutter sei weit entfernt vom wahren, privaten Charakter. Mit dem Bildband zur Ausstellung solle ein tieferer Blick auf den Menschen Audrey Hepburn ermöglicht werden.

„Was so besonders an ihr ist, haben viele versucht zu ergründen, aber richtig rausgefunden hat es keiner“, sagte Sean Hepburn Ferrer in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (17.05.2010). Er beschreibt seine Mutter in jenem Interview als Frau mit hoher, gerader Stirn und großen Nasenlöchern. Sie habe lernen müssen, mit ihren „wirklichen oder eingebildeten“ Fehlern zu leben, betont auch Luca Dotti. Hepburn hielt sich für zu groß und den „übrigen Körper für definitiv zu flach“. Mit Tellerröcken und Dreiviertelhosen versuchte sie, ihre ihrer Meinung nach zu großen, muskulösen Oberschenkel zu verbergen und kreierte so den eigenen, unverkennbaren Stil. Auch dieser ist eine Antwort auf die Frage, „was so besonders an ihr ist“: Im Bildband wird die Fotografin Cecil Beaton zitiert: „Audrey Hepburns Aussehen ist zweifellos deshalb so erfolgreich, weil es den Geist der heutigen Zeit verkörpert.“ Sie setzte ihre „kultivierte Eleganz“, die sie auch der Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Modedesigner Hubert de Givenchy verdankte, gegen das „‚Pin-upʻ-Image gleichaltriger Schauspielerinnen wie Marilyn Monroe“.

Hepburn nahm sogar Einfluss auf die Fotografien, beispielsweise schrieb sie Fotografen vor, aus welcher Perspektive sie fotografiert werden wollte und „welche seiner Fotografien er veröffentlichen und welche er vernichten sollte“. Im Bildband wird schließlich Richard Avedon zitiert, der als Fotograf resignierend eingestand: „Ich kann sie nicht zu größeren Höhen emporheben. Sie ist bereits da. Ich kann nur aufzeichnen […]. Sie hat aus sich selbst heraus das ultimative Portrait geschaffen.“ Der Ausstellungs-Katalog zeichnet ein sehr genaues Portrait von Hepburn, beleuchtet sie aus verschiedenen Perspektiven und ist ein erfreulich kurz kommentiertes Zeugnis ihres Lebens. Im Zentrum stehen die Fotografien, nicht die Kommentare. Der Bildband ist nicht nur für Hepburn-Fans eine Bereicherung des Bücherregals. Jeder, der sich für Film und Fotografie interessiert, wird das Buch genießen.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag ist seit dem 17.11.2015 auch bei Literatur Radio Bayern zu hören.

Titelbild

Audrey Hepburn: Portraits einer Ikone.
Mit Texten von Helen Trompeteler und Terence Pepper.
Übersetzt aus dem Englischen von Katrin Behringer.
Schirmer/Mosel Verlag, München 2015.
191 Seiten, 39,80 EUR.
ISBN-13: 9783829607193

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