Eine Nachwuchsautorin mit Sinn für Humor und Sarkasmus

Porträt der Autorin Ronja von Rönne anlässlich der Veröffentlichung ihres Debütromans „Wir kommen“

Von Yvette RodeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Yvette Rode

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

2015 sorgte die damals 23-jährige Journalistin Ronja Larissa von Rönne, die seit Januar des Jahres als Redakteurin im Feuilleton der Welt arbeitet und seit Dezember eine Dating-Kolumne in der Glamour hat, mit ihrem Artikel Warum mich der Feminismus anekelt im Literaturbetrieb für Furore. Von Rönne bezieht in dem Artikel deutlich Stellung zum Thema Feminismus und erklärt, warum der Feminismus im 21. Jahrhundert ihrer Auffassung nach eine „Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden [und] nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime“ sei. Nach der Veröffentlichung wurde Warum mich der Feminismus anekelt in den Medien und sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert und von Rönne hat seitdem den Ruf eines enfant terrible.

Doch von Rönne ist nicht nur Journalistin, sondern auch Autorin. Seit 2012 veröffentlicht sie auf ihrem Blog Sudelheft Texte aus dem Leben einer Mittzwanzigerin, die durchaus autobiographische Züge aufweisen. Im Juli 2015 ging von Rönne ohne Erfolg mit der Kurzgeschichte Welt am Sonntag, die ihre Lektorin Lina Muzur dem Jury-Vorsitzenden des Bachmann-Preises, Hubert Winkels, geschickt hatte,ins Rennen um einen der begehrten Preise bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Nach der Preisverleihung habe sie sich, so sagt die Autorin, vorgenommen, mit dem Schreiben aufzuhören. Doch das hat sie nicht. Am 4. März dieses Jahres wurde ihr Debütroman Wir kommen veröffentlicht, der im Aufbau Verlag herausgegeben wird. Auf der Verlagshomepage erfährt man, dass es in dem Roman um eine junge Frau namens Nora geht, die nach dem Tod ihrer besten Freundin Maja unter Panikattacken leidet und auf Anraten ihres Therapeuten ihre Gedanken in Tagebucheinträgen dokumentieren soll. Außerdem drohe Noras „einst so progressive Beziehung“ zu ihren Freunden Karl, Leonie und Jonas zu zerbrechen. Um das „Verschworene zwischen ihnen zu retten“, fährt Nora mit ihnen ans Meer, wo Noras Vergangenheit ans Tageslicht kommt.

Der Verlagstext erweckt den Eindruck, als handele es sich bei Wir kommen um das Psychogramm einer Frau, die an dem Tod ihrer besten Freundin zu zerbrechen droht und ihren Kummer mit sich alleine ausmacht und dabei die geliebten Menschen um sich vernachlässigt. Um mehr über von Rönnes Debütroman, ihre Schreibmotivation und ihre Leidenschaft fürs Schreiben zu erfahren, habe ich mit ihr ein Interview geführt. Während des Interviews inszeniert sich von Rönne nicht als enfant terrible, sondern als junge Frau mit einem unverwechselbaren Humor, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und sich für den Erfolg nicht verbiegt.

Obwohl von Rönne nicht zu viel über ihren Roman erzählt, könnte sie die Phantasie und Neugier der Rezipient*innen erregen und Spannung erzeugen. Laut von Rönne geht es in Wir kommen „um das Ringen mit der Liebe, artgerechte Schildkrötenhaltung und einen Mord. Möglicherweise sogar zwei. Und um noch schlimmere Sachen, zum Beispiel U-Bahnfahren und das Aufwachsen in der Provinz“. Außerdem gebe es „jede Menge Sex, Liebe, Langweile, Tote […] und Fahrkartenkontrollen“. Desweiteren werden „nebenher alle großen Themen der Gegenwart abgehandelt: Gemüse-Kisten-Abos, Flüchtlingswelle, iPads, Polyamorie und Leute, die in Agenturen arbeiten“. Von Rönne lässt offen, wer ermordet wird. Auch auf die Figurenkonstellation geht sie nicht näher ein. Sprachlich ist sich von Rönne auch bei Wir kommen treu geblieben, weil ihr Debütroman wie die meisten ihrer Texte, „sehr schnell und auf Pointe geschrieben“ sei, dies aus dem Grund, weil sie „so etwas selbst gerne lese“.

„Ich versuche eigentlich nur, zu unterhalten“, erklärt von Rönne. Dies wird nicht nur anhand ihrer Texte deutlich, sondern auch während des Interviews. So betont sie zu Beginn, dass es ihrer Meinung nach „Blödsinn“ sei, wenn einige Leute behaupten, dass Autor*innen ihr eigenes Werk nicht einschätzen könnten; laut von Rönne gehe dies nämlich „ganz einfach“. Darauf zählt sie verschiedene Genres und potentielle negative Meinungen über Wir kommen auf und macht sich so nicht nur über ihre Kritiker und den Literaturbetrieb lustig, sondern auch über sich selbst:„Mein Buch ist ein packender Thriller, ein Armutszeugnis, ein großer Liebesroman, eine komplette Farce, ein ergreifendes Generationsportrait, ein total unergreifendes Generationsportrait, ein weltweiter Bestseller und echter Geheimtipp. Ein Meilenstein! Eine Papierverschwendung! Ein besonderer Wurf! Ein Rohrkrepierer! Eine neue literarische Epoche! Hilfe“. Dann erklärt sie, dass sie ihren Roman „lieber keinem Genre zuordnen will“, zeigt sich indes zugleich sicher, dass Kritiker*innen Wir kommen als „Poproman“ bezeichnen werden. „Das murmeln Kritiker ja gerne vor sich hin, sobald ein Buch in der Gegenwart verankert ist und zweimal ein Markenname fällt“, so von Rönne, wodurch sie indirekt Rezensent*innen kritisiert, die sich nicht intensiv mit den inhaltlichen Aspekten eines Romans auseinandersetzen, sondern einem Genre zuordnen, welches in die jeweilige Zeitepoche passt.

Von Rönne wird von vielen Kritiker*innen im Literaturbetrieb unterschätzt. Beim Interview spielt sie gekonnt mit diesem Klischee und lässt ihre Kritiker*innen in dem Glauben, als traue sie sich selbst nicht viel zu. Laut von Rönne bestehe Wir kommen nur deshalb ausschließlich aus Tagebucheinträgen ihrer Protagonistin Nora, weil es ihrer Auffassung nach „völlig unmöglich [sei], einen Roman zu schreiben“. Die Tagebuchform sei daher ein „Trick, um mir einzureden, keinen ganzen Roman schreiben zu müssen“. Rezipient*innen, die von Rönnes unverwechselbaren Humor nicht verstehen, nehmen diese Aussage wahrscheinlich ernst und unterstellen ihr möglicherweise, dass sie wirklich keinen Roman schreiben wollte und nur aus vermeintlicher Einfachheit die Tagebuchform gewählt hat. Tagebucheinträge werden, wie auch die meisten von von Rönnes Texten, in der Ich-Form verfasst. Somit bleibt sie sich auch formell bei ihrem Debütroman selbst treu.

Von Rönne berichtet auch von ihren Selbstzweifeln während des Schreibprozesses. So habe sie insgesamt „vier panische Monate“ an Wir kommen geschrieben. In dieser Zeit habe sie „[e]in, zwei Tage am Buch“ geschrieben und „dann wochenlang mit schlechtem Gewissen nichts“. Während ihrer Schreibblockade habe sie „massive Selbstzweifel“ gehabt, sich aber kurz darauf zusammengerissen und „einen kurzen, lustigen Blog-Post“ geschrieben. „[a]us den Likes“ für ihre Blogbeiträge habe sie „die Kraft [ge]schöpf[t]“, an ihrem Roman zu schreiben. Gerade die Tatsache, dass sie offen über ihre Selbstzweifel während des Schreibprozesses redet und sich damit als Frau mit Schwächen inszeniert, macht sie sympathisch und nahbar. Außerdem wird deutlich, wie wichtig ihr ihre Fans sind. Wer regelmäßig ihren Blog und ihre Facebookseite besucht, weiß, dass von Rönne der Kontakt zu ihren Fans wichtig ist. So beantwortet sie regelmäßig Kommentare auf Sudelheft und Facebook und bedankt sich für Nachrichten, in denen Fans ihr nach durchaus heftigen Kritiken Mut zusprechen.

Man kann sich gar nicht vorstellen, dass von Rönne „eher zufällig [beim Schreiben] gelandet“ ist und ursprünglich in einem Büro arbeiten wollte. Es erscheint durchaus gut, dass sie sich gegen einen Bürojob und für das Schreiben entschieden hat, weil dem Literaturbetrieb solch eine unangepasste und zugleich unterhaltsame Persönlichkeit wie von Rönne gefehlt hat. Es wäre wünschenswert, wenn die Kritiker*innen von Rönne eine Chance geben würden, indem sie sich selbst ein Bild von ihrem Debütroman machen.

Das diesem Porträt zugrunde liegende Interview findet sich hier.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Ronja von Rönne: Wir kommen. Roman.
Aufbau Verlag, Berlin 2016.
208 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783351036324

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