Gemalte Histörchen

Bernd Dolle-Weinkauf gibt den Tagungsband „Geschichte im Comic“ heraus

Von Stefan TuczekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Tuczek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Image des Comics hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt: Waren die bunten Bildergeschichten vor einigen Jahren noch als nerdiger Unsinn verschrien, so sind sie heute begehrter Trend. Das Marvel-Franchise macht ein Milliarden-Geschäft und ist längst nicht nur für Kinder attraktiv. Erwachsene und Kinder gleichermaßen werden durch die Comicverfilmungen und deren Produkte angesprochen. Längst haben Online-Händler und Buchläden den Trend erkannt und reagieren darauf, indem sie eigene Abteilungen für Comics einrichten. Comics haben ihren Status aufgewertet  – die Industrie rund um sie boomt und floriert. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich nun vermehrt mit diesem Medium. In den letzten Monaten ist dabei besonders der Bachmann Verlag aufgefallen, der quasi eine eigene wissenschaftliche Abteilung dazu eingerichtet hat. Neben erhellenden und wegweisenden Monografien werden hier auch Sammel- und Tagungsbände herausgegeben. So nun auch der Tagungsband Geschichte im Comic von Bernd Dolle-Weinkauff, der leider etwas hinter den bisherigen Publikationen in diesem Verlag zurückbleibt.

Wie schon der Titel des Bandes verrät, geht es um die Frage nach der Historie im Medium Comic. Die versammelten 20 Beiträge wurden auf der 10. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) gehalten und bieten nun einen Einblick in diesen Forschungsstand, der recht nüchtern und eintönig ausfällt. Die Grundfrage dabei ist recht spannend: Wie verarbeiten Comics geschichtliche Ereignisse und historische Personen. Wer erinnert sich nicht an Snoopy aus den Peanuts, der gegen den „Roten Baron“ kämpft, oder auch an Asterix, der auf viele historische Ereignisse und Personen auf seine eigene Art und Weise Einfluss genommen hat? Die Frage wird nicht nur in populären, seichten Comics aufgegriffen, auch ernstere Autoren wie Art Spiegelman verarbeiten in ihren Werken historische Ereignisse wie den Holocaust.

Der Tagungsband ist in vier Abteilungen untergliedert: Im ersten Teil geht es um theoretische Annäherungen an dieses Thema, der zweite Teil fragt nach Erzählweisen und der dritte, weitaus größere, und vierte Teil beschäftigen sich mit der konkreten Umsetzung der Geschichte als Stoff in Comics, wobei der Schwerpunkt ganz klar auf die Darstellung des Krieges liegt. Soweit gibt es nichts zu monieren, jedoch beschäftigen sich alle zwanzig Beiträge mehr oder weniger, direkt oder auch indirekt mit der Frage nach der Authentizität des aufbereiteten Stoffes. Dies fällt besonders in den theoretischen Aufsätzen am Anfang des Bandes auf – alle Beiträge fragen einmal nach der Gattung (Gibt es eine Gattung Historiencomics?) und nach der Authentizität/Fakten. Die Gattungsfrage ist eigentlich obsolet, denn welchen wissenschaftlichen Mehrwert bringt eine positive Beantwortung der Gattungsfrage? Keine… Auch die Frage der Authentizität der Dokumente ist zwar für die Geschichtswissenschaften eine wichtige, aber da Comics auch unter Narrationen fallen und man diesen immer Fiktionalität unterstellt, ist die Frage in diesem Kontext doch recht kurios – Comics sind eben keine historischen Dokumente. Diese Fragen tauchen in allen Beiträgen irgendwie auf und machen sie damit ziemlich homogen.

Auch die dritte und vierte Abteilung sind derart gestaltet, dass sich die Beiträge ähneln. Als übergeordnetes Thema findet sich der Krieg, wobei Weltkrieg und Holocaust recht prominent besetzt sind. Schade eigentlich, da es spannendere Fragen in diesem Bereich gibt, so etwa die Frage nach alternativen Geschichtsverläufen, wie sie Alan Moore beispielweise präsentiert. Auch fehlen die Underground-Comics, die sich zu Recht nach der Sinnhaftigkeit von geschichtlichen Ereignissen fragen, und auch einen kritischen Blick auf die Kriege Amerikas (Vietnam und Korea!) werfen. Man wird beim Studium der Beiträge das Gefühl leider nicht los, dass viel Potenzial verschenkt wurde – auch in Hinblick auf den bewährten Kanon von Comics. Lediglich der zweite Teil ist recht interessant geraten und fragt nach den Erzählweisen, wobei gefragt wird, wie bekannte Kunstwerke und Personen in Comics verarbeitet werden.

Der Sammelband ist nicht schlecht, leider ist er durch die Homogenität der Beiträge aber zu lang und eintönig geraten. Aber auch die übergeordneten Fragen erschließen sich nur bedingt. Leider hat man beim Lesen den Eindruck, dass 15 Beiträge weniger auch gereicht hätten.

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Bernd Dolle-Weinkauff: Geschichte im Comic. Befunde, Theorien, Erzählweisen.
Ch. A. Bachmann Verlag, Berlin 2017.
327 Seiten, 36,00 EUR.
ISBN-13: 9783941030985

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