Eine Liebe ohne Happy End

In seinem Roman „Ein schönes Paar“ erzählt Gert Loschütz von einer gescheiterten Liebe vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Realitäten im Kalten Krieg

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ja, es ist eine Liebegeschichte, die Gert Loschütz uns erzählt, aber keine, die gut ausgeht. Zu gerne möchte man glauben (und lesen), dass wahre Liebe Berge versetzt und Grenzen überwindet. Doch dies ist wohl nur den wenigsten Beziehungen vergönnt. Bei Herta und Georg jedenfalls tragen die politischen Bedingungen, unter denen sie leben, mit dazu bei, dass ihre Ehe zerbricht.

Doch wenden wir uns zuerst dem Anfang zu, der zugleich ein Ende ist: Zu Beginn von Gert Loschützʼ Roman Ein schönes Paar steht der Ich-Erzähler Philipp plötzlich ohne Familienangehörige da. Kurz hintereinander verstarben zuerst sein Vater und dann seine Mutter. Beide lebten schon seit Langem voneinander getrennt, waren aber nicht geschieden.
Nachdem er beide Beerdigungen organisiert hat, sieht sich Philipp nicht nur damit konfrontiert, die Besitztümer seiner Eltern im Pflegeheim und im väterlichen Haus zu sichten. Vielmehr bedeutet das Auf- und Ausräumen für ihn auch den Beginn einer Reise in die Vergangenheit – vor allem, als er im Haus des Vaters auf einen alten Fotoapparat stößt, der einst eine unglückselige Rolle für das Schicksal der Familie spielte.

Dabei beginnt alles durchaus hoffnungsvoll, als sich Herta und Georg 1939 kennenlernen und 1942 heiraten. Immerhin kehrt der Soldat Georg heil aus dem Krieg in die kleine „Ackerbürgerstadt“ nahe Potsdam zurück, während Herta zwar nicht die erhoffte Laufsteg-Karriere macht, aber als begnadete Schneiderin eine gute Stelle im lokalen Modehaus innehat. Mit der Geburt Philipps kurze Zeit später scheint das Familienglück komplett; Georg arbeitet in leitender Position eines Produktionsbetriebes der jungen DDR und alles geht seinen geregelten Gang.
Doch dann wird ihnen eines Tages eine Unvorsichtigkeit Georgs zum Verhängnis: Auf Westbesuch bei einem Freund hat er Kontakt zum Bonner Innenministerium. Dessen Anwerbeversuch lehnt er zwar ab, aber als ihm wenig später die „feindliche“ Behörde einen Brief sendet, weiß er, dass die Stasi ihm das nicht durchgehen lassen wird. Umgehend muss Georg die Heimat verlassen und landet in der hessischen „Schieferstadt“ Tautenburg, in die kurz darauf Herta und Philipp nachkommen. Hier in der Fremde sieht es, allen Widrigkeiten zum Trotz, zunächst so aus, als ob ihr Leben wieder ins Lot kommen würde. Doch der teure Fotoapparat, den Herta noch schnell von ihren Ostmark-Ersparnissen als Geldanlage gekauft hatte, lässt eine Katastrophe über sie hereinbrechen, die Georg ins Gefängnis und Herta in die Arme eines anderen Mannes bringen wird.

Letztendlich bleiben Philipp und Georg alleine zurück, Herta nimmt nur noch in Form seltener Postkarten mit lapidaren Texten am Leben ihres Sohnes teil. Selbst als sie überraschend nach Tautenburg zurückkehrt, bedeutet das keinen Neuanfang. Vom Flüsschen Taute getrennt, leben beide Elternteile fortan in unterschiedlichen Stadteilen, ohne je wieder miteinander zu sprechen. Doch zu Philipps Überraschung wird er beim Ausräumen des Hauses gewahr, dass es doch noch eine innere Verbindung existiert haben muss, die sie vermutlich nicht einmal sich selbst eingestanden hätten.

Leise, zurückhaltend und distanziert – so lässt sich der Stil von Gert Loschützʼ jüngstem Roman beschreiben. Das Bild, das er von der Liebe zwischen Herta und Georg zeichnet, bleibt skizzenhaft. Vieles bleibt auf diese Weise sowohl für Philipp als auch für den Leser im Verborgenen, so etwa, wo und wie Herta eigentlich all die Jahre bis zu ihrer Rückkehr gelebt hat, oder warum Georg, der angeblich keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, dem Pflegeheim insgeheim finanzielle Zuwendungen zukommen ließ. Unklar und rätselhaft bleiben auch die Motive, die hinter den Handlungen der Figuren stehen. Warum geht Georg ins Bonner Innenministerium, wenn er doch mit dem Militär abgeschlossen hat und wissen muss, dass die Stasi davon Wind bekommen wird? Warum ist es für Herta so existenziell wichtig, dass die Kamera verkauft wird? Was treibt sie nach Georgs Verhaftung in die Arme seines Chefs, der ihn mit einer Falschaussage schwer belastet? Und warum hält sie nicht wenigstens Kontakt zu ihrem Sohn?

Wer klare Antworten auf diese und andere Fragen erhofft, geht am Ende leer aus. Ebenso wie Philipp selbst können wir als Leser lediglich versuchen, aus den Puzzleteilen von Fotos, Schriftstücken, Kindheitserinnerungen sowie Philipps Eindrücken auf der Reise zu den Schauplätzen des Geschehens ein möglichst umfassendes Bild zu erlangen. Schließlich sind die einzigen, die dazu etwas sagen könnten, tot und hatten bereits zu Lebzeiten weder das Interesse noch das Vermögen, darüber zu reden.

Offensichtlich waren beide Elternteile zu keiner tiefgehenden Kommunikation in der Lage. So erfahren wir an keiner Stelle des Romans, wie sich Herta oder Georg tatsächlich fühlen, was sie denken und wünschen. Auch nach ihrer Trennung ist ihr Verhältnis zum Sohn hauptsächlich von Wortlosigkeit geprägt und allein davon bestimmt, ihm ein warmes Essen und ein Dach über dem Kopf zu bieten. Nur zeitweise kommt väterliche Wärme und Nähe auf, wenn Georg ihn auf eine Spritztour ins Grüne mitnimmt. Selbst nach ihrer Rückkehr vermag es Herta nicht, dem Sohn auch nur ein erklärendes Wort zu bieten, warum sie aus seinem Leben verschwunden ist.

Mit Ein schönes Paar hat Loschütz ein sehr melancholisches, nachdenkliches Werk über das Scheitern einer Liebe und damit auch einer Familie geschrieben. Doch die Tragik des Scheiterns liegt nicht darin, wie Philipp meint, „dass ihre Liebe es war, die ihre Liebe zerstörte“. Sie liegt auch nicht darin, dass der kalte Krieg hier einmal mehr grausamen Einfluss auf das Schicksal einzelner genommen hat. Letztendlich sind Herta und Georg Opfer ihrer eigenen Ansprüche und ihres Unvermögens, sich einander zu öffnen. Das hat ihre Liebe zwar nicht vollends zerstört, wie wir ganz am Ende des Buches erfahren, doch tragischer Weise dazu geführt, dass jeder von ihnen sie nur noch im Geheimen und voneinander getrennt zulässt.

Titelbild

Gert Loschütz: Ein schönes Paar. Roman.
Schöffling Verlag, Frankfurt a. M. 2018.
236 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783895611568

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch