Mäzene und Literatur im Mittelalter

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In den letzten Jahren haben von der für die vormoderne Literatur konstitutiven Trias ‚Autor – Werk – Mäzen‘ zwei Begriffsfelder, nämlich das des Autors und das des Werks, auch in den mediävistischen Philologien entscheidende Umbesetzungen erfahren. Während die Vorstellung vom rekonstruierbaren ,Werk‘ eines Autors weitgehend zugunsten mehrerer unterschiedlicher Texte beziehungsweise Fassungen verabschiedet wurde und heute kaum noch jemand aus der in einem Text begegnenden Erzähler-Figuration umstandslos auf den Autor zurückschließen würde, werden die, oft in Pro- oder Epilogen, zuweilen aber auch in anderen Passagen erzählender oder lyrischer Texte begegnenden Nennungen adeliger oder geistlicher Damen und Herren nach wie vor häufig als prinzipiell korrekte historische Informationen über den mittelalterlichen Literaturbetrieb gelesen.

In den letzten Jahren wurde dieses Paradigma zwar hin und wieder hinterfragt. Punktuell sind auch neue Funktionalitäten für die Implementierung mäzenatischer Figurationen in vormoderne Texte erwogen worden: So deutet die aktuelle mediävistische Forschung die Gönner-Angaben entsprechend vermehrt als Profilierung künstlerischer Geltungsansprüche ihrer Urheber. Es hat aber der Mäzene-Forschung bislang an Untersuchungen gemangelt, die diese Konstellationen systematisch und im Zusammenhang weiter ausgreifender Fragestellungen und vor allem in interdisziplinären und komparatistischen Kontexten in den Blick nehmen. Vor dem Hintergrund dieses Befundes haben Bernd Bastert, Andreas Bihrer sowie Timo Felber im Namen der deutschen Sektion der International Courtly Literature Society und finanziert von der Thyssen-Stiftung eine interdisziplinäre Tagung zum Thema „Mäzene als Akteure im historischen Feld und literarisches Textkonzept“ veranstaltet, auf der die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Textualisierungsformen von Mäzenen in lateinischer, romanischer, niederländischer und deutschsprachiger Literatur aufgearbeitet, Gönnertypen profiliert und schließlich das in den Quellen konzeptualisierte Wirken mäzenatischer Akteure in spezifizierten Räumen an exemplarischen Einzelfällen erfasst und analysiert werden sollten.

Aus dieser Tagung resultiert der vorliegende Band: Er bietet erstmals einen interdisziplinären Zugang zu den Erscheinungsformen von Mäzenen in den europäischen Literaturen. Zwölf Einzeluntersuchungen von Germanisten, Historikern, Mittellateinern, Niederlandisten, Romanisten und Kunsthistorikern nehmen die Gönnernennungen in ihrem spezifischen Spannungsfeld zwischen historischer Information und ästhetischem Konzept in den Blick.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift sowie Angehörigen der eigenen Universität. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Bernd Bastert / Andreas Bihrer / Timo Reuvekamp-Felber (Hg.): Mäzenaten im Mittelalter aus europäischer Perspektive. Von historischen Akteuren zu literarischen Textkonzepten.
Mit 7 Abbildungen.
V&R unipress, Göttingen 2017.
302 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-13: 9783847107361

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