Die Shoa neu sehen
Radu Ioanid dokumentiert „Das Iaşi-Pogrom Juni–Juli 1941“ in 130 Fotos und der Band „Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz“ ist ein Meisterstück historischer Bildinterpretation
Von Franz Sz. Horváth
Besprochene Bücher / Literaturhinweise75 Jahre nach dem Kriegsende, nach unzähligen Sachdarstellungen, Quellenbänden und filmischen sowie belletristischen Erzählungen könnte man leicht geneigt sein anzunehmen, es könne kaum mehr etwas Neues über das größte Menschheitsverbrechen, den Holocaust, gesagt werden. Schließlich sind so gut wie alle archivalischen Quellen mehrfach umgeblättert, sortiert, interpretiert und in neuen Deutungskontexten gelesen worden. Auch die Archive der früheren Sowjetunion scheinen mittlerweile hinsichtlich ihrer einschlägigen Bestände von den Historikern erschöpfend durchforstet worden zu sein. Umso erstaunlicher ist es daher, wenn sich Fachleute bereits bekanntem Bildmaterial zuwenden, dieses neu analysieren und so im Detail Überraschendes herausfinden. Zwei neue Bildbände (mit teils altem Material) visualisieren nun mit Originalaufnahmen unser Wissen vom Holocaust auf eine derart intensive und beeindruckende Art, dass zumindest einer der beiden Bände geeignet ist, unseren Blick durch die De- und Rekonstruktion des Geschehenen neu zu justieren.
Das im Sommer 1941 von rumänischen Soldaten, Faschisten und Zivilisten in der Stadt Iaşi unter Beteiligung deutscher Soldaten verübte Pogrom an etwa 13.000 Juden gehört zu den in Deutschland eher unbekannten Kapiteln der Shoa. In Rumänien, das seine Beteiligung an der Ermordung eines Großteils seiner jüdischen Bevölkerung jahrzehntelang verleugnete, zählt das Pogrom hingegen zu den am besten dokumentierten Ereignissen. Iaşi, im Nordosten des Landes gelegen, zählte im Zweiten Weltkrieg etwa 100.000 Einwohner, wovon ein Drittel Juden waren. Die Stadt verfügte über eine lange antisemitische Tradition und war bereits in der Zwischenkriegszeit eine Hochburg der faschistischen „Eisernen Garde“, die Mord, Gewalt und antijüdische Pogrome zu ihrem Programm machte. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion (22. Juni 1941), woran auch Rumänien teilnahm, kam es zu einigen Zwischenfällen mit sowjetischen Flugzeugen, die einmal die Stadt sogar bombardierten. Dort wurden nicht nur Soldaten der rumänischen Armee stationiert, sondern auch Geheimdienst- und Polizeieinheiten, Wehrmachtssoldaten und Mitglieder der „Eisernen Garde“ waren anwesend. Gerüchte über Signale, die von Juden an die sowjetischen Flieger gegeben worden seien, wurden gestreut. Hausdurchsuchungen, um „Spione“ und „Saboteure“ zu fassen, waren an der Tagesordnung. Erste, willkürliche Erschießungen von Juden fanden statt. Die Militärbehörden ließen auf dem jüdischen Friedhof zwei große Gräben ausheben, was darauf hindeutet, dass die Ereignisse, die zwischen dem 28.6. und 6.7.1941 geschahen, von langer Hand geplant und vorbereitet wurden.
Die Ausschreitungen und das Morden fingen in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni an. Soldaten und Zivilisten trieben Juden aus ihren Häusern, hielten sie auf den Straßen auf und prügelten sie zur Polizeidienststelle oder zum Bahnhof. Unterwegs oder direkt vor Ort in den Häusern ermordeten sie wohl etwa 1.000 bis 4.000 Juden. An den Folgetagen wurden am Bahnhof zwei Züge mit Juden beladen, einmal mit etwa 2.500 und der zweite mit 1.900 Menschen. Die Züge fuhren tagelang ziellos hin und her und hatten nur den Zweck, möglichst viele Juden umzubringen. Die Waggons waren nicht nur überladen, die Menschen erhielten tagelang weder Essen noch Trinken, zwischendurch schossen die rumänischen Soldaten in sie hinein. Die Toten wurden an manchen Stellen abgeladen, bevor die Fahrt fortgesetzt wurde. Am Ende stand der grausame und qualvolle Tod von etwa 2.600 Menschen: Alte und Junge, Männer, Frauen, Kinder.
Das Grauen jener Tage in Worte zu fassen, ist (trotz meisterhafter Romane wie Curzio Malapartes Kaputt) schwer. Der ausgewiesene Kenner des rumänischen Holocausts und der Geschichte des rumänischen Juden, Radu Ioanid, stellte für den nun vorliegenden Band, der nach der rumänischen (2014) und englischen (2017) die dritte Ausgabe ist, 130 Fotos zusammen. Die Fotodokumentation sollte ursprünglich der Katalog zu einer Ausstellung in Rumänien werden, erschien aber verspätet. Der Dokumentation vorangestellt sind ein Vorwort des aus Rumänien stammenden Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel und des Leiters des „Nationalen Instituts für das Studium des Holocausts in Rumänien“, Alexandru Florian. In die Ereignisse vom Sommer 1941 führt die knappe Einleitung Radu Ioanids ein, die sowohl den Ablauf des Terrors und Mordens teilweise minutiös unter Angabe der Straßennamen und Hausnummern schildert als auch auf einige kontroverse Fragen (Zahl der Opfer, Motive der Täter) kurz eingeht. Damit gewinnt der Leser einen Überblick über die Ereignisse und kann sich den Fotos widmen.
Die 130 schwarz-weiß Fotos des Bandes wurden vier thematischen Abschnitten zugeordnet. Im ersten begegnet der Betrachter, nach einigen Fotos aus dem Alltag der jüdischen Bevölkerung, dem Massaker in der Stadt. An das Grauen wird man zuerst indirekt herangeführt: ein weißes Kreuz aus jenen Tagen an der Hauswand als Symbol dafür, dass im Haus Christen und keine Juden wohnten. Eine Kolonne von Männern mit Spaten. Dann Juden am Straßenrand mit erhobenen Händen und unter der Aufsicht bewaffneter Soldaten. Sodann erscheint das Schreckliche: Leichen am Straßenrand, an welchen Zivilisten unbeteiligt und unbekümmert vorbeigehen. Halbnackte Frauen niedergesunken auf den Bürgersteig, die offensichtlich geschlagen werden, während kaum zwei Meter weiter Menschen wegsehen. Spazierende alte Herren und feine Damen und am Straßenrand Leichen, aus deren Köpfen das Blut fließt. Eine offensichtlich getötete Familie mit zusammengekauertem Kleinkind, dessen Kopf ebenfalls eingeschlagen ist, so dass sich das viele Blut lang hinzieht. Die Fotos werden (in allen vier Abschnitten) von kurzen Zitaten Überlebender flankiert, die sich manchmal so genau auf das Dargestellte beziehen, als wären sie Live-Kommentare.
Im zweiten Abschnitt werden Fotos der „Todeszüge“ abgedruckt. Sie zeigen geöffnete Waggontüren mit vielen Menschen in den Waggons, wiederholt nackte Leichen, ja Leichenberge, deutsche und rumänische Soldaten, rumänische Eisenbahnmitarbeiter als Begleitpersonal der Züge. Peitschen, Gewehre und auf dem Boden liegende nackte Menschen verweisen auf den Fotos auf die immense Gewalt, die Erniedrigung.
Im dritten Abschnitt, dem mit vier Fotos kürzesten, wird die auf die nach Krieg geführten Prozesse eingegangen, im Zuge derer mehrere Offiziere und Unteroffiziere zu lebenslanger Haft und zu mehrjährigem Arbeitslager verurteilt wurden. Im letzten Abschnitt bekommen 42 Opfer einen Namen und ein Gesicht, von welchen interessanterweise nur vier Frauen sind, was bestimmt nicht ihrem Anteil an der Gesamtzahl entspricht. Dennoch ist dieser Abschnitt insgesamt eine stumme Verbeugung und ein Zeichen des Respekts vor den Opfern.
Die Fotodokumentation stellt insgesamt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Holocausts in Rumänien dar, ergänzt sie doch die bisherigen textlastigen Quellenbände um eine wichtige Quellenart. Umso bedauerlicher ist daher, dass der Leser nichts zur Methodologie erfährt. Weder werden das Verhältnis der Quellenzitate zu den Bildern und die Kriterien ihrer Auswahl erklärt, noch geht der Herausgeber quellenkritisch-analytisch auf die Fotografen, deren mögliche Motive, Standpunkte und Standorte ein. Die meisten Fotos stammen entweder vom „United States Holocaust Memorial Museum“ oder aus dem Bestand der „Föderation der Jüdischen Gemeinde Rumäniens.“ Wie sind sie aber dort hingekommen? Wer sind die Autoren? Sind die Bilder Teil einer Serie aus der Täter- oder der Beobachterperspektive? Eine Analyse der Bildergeschichten hätte auf eine Reihe ähnlicher Fragen antworten müssen. Dass sie nicht erfolgt ist, ist zwar bedauerlich, mindert aber die Bedeutung des Bandes mitnichten, den man nur empfehlen kann.
Einen völlig anderen Anspruch der De- und Rekonstruktion vertreten die drei Verfasser Tal Bruttmann, Stefan Hördler und Christoph Kreutzmüller mit Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz. Sie reproduzieren die Bilder aus Auschwitz nicht nur, sondern liefern unersetzbare Informationen sowohl zum Hintergrund ihrer Entstehung als auch des jeweiligen Schauplatzes. Einige der Autoren sind bereits vorher durch einschlägige Publikationen (Stefan Hördler) und durch die Teilnahme an der Fernsehdokumentation Ein Tag in Auschwitz (Januar 2020, ZDF) in Erscheinung getreten. Ihre Expertise, die sie auch in diesem Band eindrucksvoll unter Beweis stellen, steht außer Frage.
Das Untersuchungsobjekt ist ein Album mit ursprünglich 197 Fotos, das die Holocaustüberlebende Lili Jacob (1926–1999), die im Mai 1944 von Ungarn nach Auschwitz transportiert wurde, im April 1945 im Konzentrationslager Mittelbau nach dessen Befreiung in einer vormaligen Kaserne der Nationalsozialisten fand. Da sie auf den Bildern sich selbst, mehrere ihrer nächsten Angehörigen sowie Bewohner ihres Dorfes erkannte, nahm sie das Album an sich. Nachdem sie 1947 dem Jüdischen Museum Prag erlaubte, von einigen Fotos Kopien zu machen, erlangten diese in den 1950er Jahren einen gewissen Bekanntheitsgrad. Sie wurden 1961 im Jerusalemer Eichmann-Prozess als Beweismittel benutzt und Lili Jacob selbst sagte am 3. Dezember 1964 im Frankfurter Auschwitz-Prozess aus. Im August 1980 überließ sie das Album dann der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, die es seitdem aufbewahrt.
In Deutschland gab es bislang zwei Publikationen zum Album, erschienen 1995 und 2005, doch fehlte bislang eine solch minutiöse Analyse wie die hier vorgelegte. Der Wiedergabe der erhaltenen Fotos (Teil II) ist eine Hinführung vorgeschaltet (Teil I), in der die Autoren die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz darstellen, den Ablauf der Deportationen aus Ungarn, woher Lili Jacob stammte, schildern sowie auf Lili Jacob selbst und die Fotografen eingehen. Im Gegensatz zum Band Radu Ioanids sind die SS-Leute Bernhard Walter und Ernst Hofmann als Fotografen ausgewiesen, auch wenn nicht bei jedem Foto zweifelsfrei festzustellen ist, wer es fotografiert hat. Für die Autoren steht jedenfalls fest, dass die Fotografen im Auftrag des Lagerkommandanten Rudolf Höß handelten. Das Album sei als eine Art Leistungsnachweis entstanden, mit dem Höß und die SS ihre „Effizienz“ unter Beweis stellen wollten. Rund 15 Exemplare des so entstandenen Albums sollen die beiden Fotografen zusammengestellt haben, als Adressaten vermuten die Autoren neben Höß u.a. Heinrich Himmler und Adolf Eichmann.
Der zweite Teil Das Lili Jacob-Album enthält leicht verkleinert, jedoch selbstverständlich in derselben Reihenfolge und beginnend mit dem Originaltitel „Umsiedlung der Juden aus Ungarn“ die erhaltenen Bilder des Albums, einschließlich jener zwei, die aus Buchenwald stammen und von Lili Jacob eingeklebt wurden. Die Fotos wurden an mehreren Tagen im Mai und Juni 1944 und in mehreren Serien aufgenommen. Sie zeigen laut Abschnittsüberschriften die „Ankunft eines Transportzuges“, die „Aussortierung“, „Männer bei der Ankunft“, Männer und Frauen „Nach der Aussortierung“ sowie „noch einsatzfähige“ Männer und Frauen, aber auch „nicht einsatzfähige Frauen und Kinder“. Vom Zug bis in den Tod werden die Selektion, der Marsch der Juden auf dem und durch das Gelände gezeigt, eines der Fotos soll gar laut den Autoren von der Tür(schwelle) des Krematoriums aufgenommen worden sein und zeigt, wie eine alte Frau von zwei jüdischen Männern gewaltsam in dessen Richtung gezerrt wird.
Mehrere Bilder des Albums haben einen (traurigen) ikonischen Bekanntheitsgrad erlangt und fehlen in kaum einer Dokumentation über Auschwitz: Das Bild 123 zeigt eine alte, gebeugte Frau mit schwarzem Kopftuch und Jäckchen, auf deren Brust der Judenstern groß und sichtbar ist. Obwohl gerade dem Zug entstiegen, schaut sie zwar leicht unterwürfig, dennoch warm und gütig sowie würdevoll in die Kamera. Das Bild 50 zeigt wohl die beiden kleineren Brüder Lili Jacobs, die eine Art ungarische Uniform tragen. Das Bild verdeutlicht damit die Tragik der jüdischen Ungarn, die sich einerseits an ihre ungarische Kultur klammerten, andererseits aber von den Ungarn, in deren Mitte sie lebten, Eichmann und seinen Gehilfen bereitwillig ausgeliefert und an diese verraten wurden. Daher schreien auch die Gesichter der Jungen vor stillem Schmerz und Verzweiflung.
Der dritte Teil des Bandes macht dessen eigentlichen Wert aus, weil die Autoren darin auf rund 140 Seiten eine Analyse des Bildmaterials bieten, die aufgrund des Detailreichtums, der Bildvergleiche, der Intensität und der Empathie wohl beispiellos in der einschlägigen Literatur ist. Ihr Vorgehen verdeutlicht einmal mehr, dass Bilder nicht alleine sprechen, sondern durch Kontextualisierung und behutsame Deutung zum Sprechen gebracht werden müssen. Selbstverständlich fängt dies bereits bei der Dekonstruktion der benutzten Begriffe an, denn „Umsiedlung“ meinte natürlich die Deportation der und die Ermordung von mehreren Hunderttausend Juden und war lediglich einer der vielen NS-Tarnbegriffe für den Völkermord. Mit dem Terminus „Aussortierung“ verdinglichten die Fotografen ihre Opfer, sprachen ihnen ihre menschliche Würde ab.
Untersucht wird in diesem Teil beinahe jedes Foto einzeln auf Besonderheiten, auf Zusammenhänge mit anderen Fotos, die auf anderen Seiten eingeklebt sind und auf Details hin, die dem oberflächlichen Beobachter gewöhnlich entgehen. Dazu werden die meisten Bilder noch einmal abgedruckt, was vom lästigen Zurückblättern und Suchen befreit. Auch werden Details vergrößert oder auf den Aufnahmen zwecks Auffindbarkeit und Fokussierung markiert. Die Autoren verweisen auf den kompositorischen Charakter der ersten Seite, die eine Studioaufnahme und einen Schnappschuss bereithält, wobei die gezeigten Männer einmal nach links und dann nach rechts schauen. Dass die Frauen auf den Fotos insgesamt unterrepräsentiert sind, obwohl sie zusammen mit den Kindern de facto die größere Gruppe ausmachten, erklären sie damit, dass ihnen von der Nazi-Propaganda ein „geringeres Gefährdungspotential“ zugesprochen wurde. Die meisten Fotos weisen ein Querformat auf, was für harmlose Landschaftsbilder typisch ist und sie sind von den Fotografen von oben herab gemacht worden, was ein „Machtgefälle des Sehens“ verdeutlicht, anders ausgedrückt die Machtlosigkeit und Entwürdigung der Opfer zeigt.
Zwar sind die meisten Fotos Schnappschüsse, dennoch griffen Walter und Hofmann in die Motive ein und arrangierten die Szene. Orthodoxe Männer mussten ihre Hüte abnehmen, junge Frauen hetzten durch das Bild und blickten dabei in die Kamera oder streckten ihre Köpfe und zeigten ihre Zunge als Zeichen ihrer Verachtung. Sie gaben SS-Leuten offensichtlich Anweisungen, wo und wie sie zu stehen hatten, sie hielten die KZ-Insassen, die in die Gaskammern unterwegs waren, an. Da sich die Autoren bestens mit dem Lageplan des KZ Auschwitz auskennen, können sie jedes Foto räumlich verorten und bestimmen, wo es entstand sowie um wieviel Uhr es ungefähr aufgenommen wurde. Durch Vergrößerungen weisen sie auf Details hin, so auf zufällig am Bildrand halb abgebildete SS-Offiziere, auf erhobene Spazierstöcke als Ausdruck der allgegenwärtigen Gewalt und auf vielen Bildern auf den verewigten Rauch der Krematorien. Der verinnerlichte Antisemitismus Walters und Hofmanns lässt sich auch daraus ableiten, dass sie vor allem männnliche Personen abbildeten, die dem von der NS-Propaganda verbreiteten Bild eines „typischen Juden“ entsprachen.
Im Abschnitt „Rekonstruktion“ unterziehen die Autoren die Bilder insofern einer weitergehenden Analyse, als sie eine Erzählung konstruieren und ein Narrativ des Vergangenen zusammenstellen. So entsteht eine Gesamtinterpretation eines Tages in Auschwitz beginnend mit den furchterregenden, lauten Szenen der Ankunft, gefolgt von den Minuten der Selektion auf der Rampe, gefolgt von der Trennung der Familien und den Gruppen von Häftlingen auf ihrem Weg in den Tod, zur Entlausung oder Einweisung ins Arbeitslager. Selbst aus den Inschriften auf den Waggons und aus den Namen auf den Koffern vermögen die Autoren Informationen abzuleiten und Namen sowie Schicksale zu rekonstruieren.
Der Band Die fotografische Inszenierung des Verbrechens nimmt die seit Jahrzehnten mehr geforderte, denn eingelöste Forderung nach einem „iconic turn“ in der Geschichtswissenschaft ernst. Er reiht sich in die Reihe jener Veröffentlichungen ein, die Bilder nicht allzu einfach als Abbild einer vermeintlichen Wirklichkeit nehmen, sondern sie als Ausdruck des Gestaltungswillens ihrer Urheber, aber auch als Ausdruck der Persönlichkeit der Fotografierten ansehen. Damit erweisen die Autoren den dargestellten Jüdinnen und Juden den größtmöglichen Respekt, weil sie sie als Personen mit Würde wahrnehmen und ihnen mit diesem Band das zurückgeben, was die Nationalsozialisten und ihre ungarischen Mittäter nehmen wollten: ihr Menschsein, ihre Menschenwürde und ihre persönliche Einzigartigkeit. Dem Buch ist eine große Verbreitung insbesondere in Schulen (als Klassensatz für den Geschichtsunterricht) und an Universitäten zu wünschen.
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