Vorbemerkungen zum Themenschwerpunkt der August-Ausgabe

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Ich erinnere mich gut an den Juli 1990, 30 Jahre ist das her, als ich im Buchladen für die anstehenden Sommerferien, die ich bei verschiedenen Freunden verbringen wollte, eine entsprechende Lektüre suchte. In der Auslage der neu erschienenen Taschenbücher lag eine dicke, indes sehr preisgünstige Sonderausgabe vom Fischer-Verlag: Drei Bände von Charles Bukowski zum Schnäppchenpreis, unglaubliche 10,- DM. 

Von diesem Bukowski hatte ich schon gehört, der schrieb verruchte Sachen, muss ein Säufer und Frauenheld gewesen sein, gleichzeitig ein Dichter, der versuchte, von seiner „Schreibe“ (wie man seinerzeit sagte) irgendwie leben zu können, was dazu führte, dass er hauptsächlich in heruntergekommenen Zimmern hauste und lausige Jobs annehmen musste. In dem Fischer-Buch waren ein Roman und zwei Bände mit Short Stories enthalten. Dass eines der drei Werke auch noch den Titel Fuck Machine trug, hinderte mich erst recht nicht am Kauf. Dies war natürlich nicht der Originaltitel, vielmehr handelte es sich bei den beiden ursprünglich in den 1970er Jahren erschienen Kurzgeschichtenbänden um Zusammenstellungen von verschiedenen Publikationen Bukowskis. Da hatte der deutsche Verlag noch mal aufs Gas getreten, um ein paar mehr Bücher zu verkaufen. Beim Roman Aufzeichnungen eines Außenseiters handelte es sich allerdings um seinen klassischen Roman Notes From A Dirty Old Man

Das Buch ging, sicherlich auch aufgrund dieses einen Titels (man war ja noch in der Pubertät), durch viele Hände und weckte ein großes Maß an Begeisterung für diesen Autor, dessen Texte sich so anders lasen als alles, was man sonst so aus der Schule kannte. Vor allem führte die Lektüre Bukowskis, zumindest bei mir, zu weiteren Entdeckungen, vor allem die Jörg Fausers, dessen enger Freund Carl Weissner ja wiederum Bukowskis Übersetzer war. Dieses faszinierende Dahinvegetieren in einer schummrigen Halbwelt, umgeben von Dreck, Alkohol und Frauen, führte zu Prosatexten wie Gedichten, die hart und zärtlich zugleich waren, eine Sprache, die ihren eigenen „Sound“ (auch dieses Wort wurde früher häufig verwendet) hatte; ein Sound, den man so noch nie gehört hatte, der an Rockmusik erinnerte und doch hochliterarisch war. Kurz: Charles Bukowski gab jungen Menschen etwas, was unbezahlbar war, nämlich einen neuen Blick auf die Literatur, ja, ein Entdecken dessen, was Literatur denn alles sein konnte, wenn man sie denn nur ließ.

Am 16. August wäre Charles Bukowski 100 Jahre alt geworden. In diesem Themenschwerpunkt der August-Ausgabe wollen wir uns entsprechend vor dem bis heute umstrittenen Schriftsteller verneigen, mit einem Originaltext des Bukowski-Experten Frank Schäfer, der pünktlich zum 100. eine Art Biographie veröffentlicht, sowie einem schon klassischen journalistischen Beitrag von Carl Weissner aus den 1970er Jahren, den wir mit freundlicher Genehmigung des Reiffer-Verlags nachdrucken durften – dort nämlich erschien vor kurzem eine Anthologie mit Texten Weissners. Unter anderem unser Autor Rafael Arto-Haumacher verfasste außerdem Beobachtungen und Reflexionen zum Werk des amerikanischen Schriftstellers. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre.

Sascha Seiler für die Redaktion