Warum man mit Geld nicht urassen darf
Der österreichische Bestsellerautor Daniel Glattauer wirft in „Die Liebe Geld“ einen satirischen Blick auf die Bank der Zukunft
Von Rainer Rönsch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer Titel Die Liebe Geld ist kein Grammatikfehler, sondern ein Denkanstoß. Die pointenreiche Komödie des österreichischen Autors Daniel Glattauer könnte „Die Liebe zum Geld“ oder auch „Die Liebe und das Geld“ heißen.
Der rund vierzigjährige Alfred Henrich bekommt vom Geldautomaten nichts ausgezahlt. Er reagiert mit betretener Ungläubigkeit, wie die erste von vielen reich ausformulierten Regieanweisungen verrät. Auch bei anderen Automaten hilft weder freundschaftliches Abtasten noch ein kräftiger Tritt. Henrich muss Kontakt mit einer Bankangestellten aufnehmen, Frau Magister Tanja Drobesch. Etwa so alt wie Henrich, wird sie vom Autor als herb-charmant gekennzeichnet. Nach Henrichs lautstarkem Protest gegen einen Termin erst nach zwei Tagen geht man in ein Beratungszimmer. Die gute Nachricht für den Kunden: Der Fixzinssatz von plus 0,05 % wird nicht angetastet. Doch abheben kann Herr Henrich nichts, denn das Geld ist auf Geschäftsreise. Er geht auf die verdrehte Formulierung ein und will seinem Geld gern Freizeit verschaffen, die es mit ihm verbringen soll.
Diplom-Kaufmann Dr. Julius Cerny betritt den Raum, etwa gleichaltrig mit den beiden, edel gekleidet und souverän. Er ist der Chef des Hauses, lässt Kaffee und Wasser bringen und tuschelt mit Frau Drobesch. Schließlich wirft er dem Kunden vor, der habe mit dem Geld „ein bisserl geurasst“. Das vielleicht antiquierte Wort habe seine Großmutter oft gebraucht. Cerny will sagen, dass Henrich viel abgehoben hat in letzter Zeit. Der Einwand des Kunden, er könne mit seinen Ersparnissen machen, was er wolle, kontert Cerny mit der Bemerkung, irgendwann sei nichts mehr da. Henrich brüllt los: er hat noch rund 40.000 € auf dem Konto! Wieder heißt es, das Geld sei auf Geschäftsreise. Und weil die Wiederholung nicht nur Henrich langweilt, wird Cerny genauer: wahrscheinlich in Russland, in Öl oder Gas oder Stahl. Übrigens geht dieses Geld auch die Bank etwas an. Sie nämlich hat die Firma, bei der Henrich als Meister für Augenoptik arbeitet, mit Millionenkrediten am Leben erhalten. Letztlich kommt sein Gehalt von der Bank. Den dringlichen Bedarf an Bargeld begründet Henrich damit, dass er seiner Frau ein Schmuckstück zum Hochzeitstag schenken will. Jetzt wird die Komödie zur Groteske: Die Bank will nicht nur ein anderes Geschenk vorschlagen, sondern es auch beschaffen.
Tags darauf wehrt Cerny in seinem exquisiten Büro einen Angriff Henrichs ab: Der Rechtsanwalt, den der sich genommen hat, arbeitet in einer Kanzlei, die der Bank gehört – eine müde Variante zum gekauften Arbeitgeber. Umso origineller der nächste Einfall: Cerny präsentiert als Geschenk für Henrichs Frau ein Büchlein mit einem Liebesgedicht. Das hat der Direktor verfasst, doch Henrich soll es als eigene Schöpfung ausgeben.
Schwungvoll betritt Frau Drobesch den Raum, zu Henrichs Erstaunen begleitet von seiner Frau Ulli. Ihr übergibt er das Gedicht und liest es auf ihren Wunsch hin vor. Es sind so holprige und banale Zeilen wie „Ein Sommer ohne dich, das ist kein Sommer.“ Der wahre Autor findet es wunderwunderschön, und Ulli fällt ihrem Mann um den Hals. Es wird Likör getrunken.
Als Henrich wieder von Geld redet, ist Cerny angewidert und enttäuscht. Hat der Mann nicht verstanden, dass ihm die Bank der Zukunft vorgestellt wurde? Sie wird das Geld der Kunden nehmen und dann wie eine Familie für sie sein. Das Gedicht zum Hochzeitstag war nur der Anfang. Ein gemeinsames Osterfrühstück ist denkbar, auch Adventssingen unterm Christbaum in der Bank, Trauerarbeit bei Todesfällen, Beistand bei Eheproblemen. Sogar als Urlaubsquartier für Hunde eignet sich die Bank.
Ulli spricht von der schweren Zeit, die das Paar hinter sich hat, vom Mann mit dem Wahnsinnskörper, der sie zum Seitensprung verführte, und vom reparaturanfälligen alten Haus der Eltern. Dort hat sie auf dem Dachboden jede Menge Bargeld gefunden, 143.000 €, die Ersparnisse von Mama und Papa. Die haben nicht geurasst, konstatiert Cerny. Ulli hat den Geldsack gleich mitgebracht, Geld muss arbeiten, sie hat schon alles mit „Tanja“ geregelt. Die beiden Bankleute leeren den Geldsack. Auf einer riesigen Leinwand erscheinen Werbeslogans, darunter: „Die Bank der Zukunft“.
Die abstrusen Dialoge und krassen Übertreibungen machen beim Lesen diebische Freude. Man fragt sich allerdings, wie das Vierpersonenstück im Theater laufen wird. Die beiden männlichen Rollen sind attraktiv. Der Darsteller des salbungsvollen Lügners Cerny kann seinem Affen immer wieder Zucker geben, und Henrichs Schwanken zwischen Aufbegehren und Resignation lässt sich spielen. Tanja Drobesch aber ist so einschichtig gezeichnet, dass sie auf der Bühne fade wirken könnte. Die Darstellerin der Ulli Henrich hätte es aus gegenteiligem Grund schwer. Sie muss glaubhaft machen, dass eine Dozentin für Labortechnik so bodenlos naiv ist, nach einem einzigen „tollen Verhandlungsgespräch“ der Frau Drobesch das Du und der Bank das viele Geld anzubieten. Und diesen Leuten auch noch von ihrem Seitensprung zu erzählen.
Das muss nicht Sorge des Lesers sein, der amüsiert und womöglich erschrocken darüber nachdenkt, wohin das Geschäftsgebaren der Banken eines Tages führen könnte.
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