Flächige Figuren vor einfarbigem Hintergrund

„QualityLand“ von Marc-Uwe Kling wird von Zachary Tallent als Graphic Novel solide aber mit wenig eigenem Profil umgesetzt

Von Swen Schulte EickholtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Swen Schulte Eickholt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist ein bekanntes Ärgernis bei Adaptionen, dass das Original stets schwer auf der neuen medialen Umsetzung lastet. Scharen frustrierter Kinobesucher können ein Lied davon singen, wie wenig die Umsetzung ihren Vorstellungen entsprochen hat. Was soll man aber rezensieren, wenn man sich mit einer Adaption auseinandersetzt? Eigentlich sind Adaptionen, die sich als bloße Umsetzungen einer Vorlage verstehen, langweilig ‒ und oft auch überflüssig. Eine kritische Besprechung sollte der medialen Eigenheit und dem persönlichen Zugriff eine Chance geben und nicht wie mit einer Checkliste Übertragungsfehler überprüfen; das leisten die Fans ohnehin gründlicher.

Mit diesem festen Vorsatz fällt die Graphic Novel QualityLand allerdings durch. Dass der Künstler Zachary Tallent zumeist nur als Illustrator genannt wird und Marc-Uwe Kling im Vordergrund steht, wenn es um die Graphic Novel geht, macht bereits stutzig. In den meisten Rezensionen kann man denn auch lesen, dass der Text hier eindeutig im Vordergrund steht, ja teilweise die Seiten sogar dominiert. Das müsste ja per se kein Nachteil sein, aber mir fehlt es hier (fast) durchgehend an einem kreativen Zugriff auf die Textvorlage (oder zumindest eine Anpassung des Textes an das neue Format).

Dabei gibt der Roman von Marc-Uwe Kling eine facettenreiche Dystopie zur Vorlage. Die Geschichte soll hier nicht rekapituliert werden und die Qualität des Romans auch gar nicht bestritten. Die meisten Witze funktionieren in der Graphic Novel natürlich auch, wenn man sie entweder noch nicht kennt oder als bekennender Fan Buch und Hörbuch ohnehin mehrfach konsumiert ‒ allerdings wird die satirische Schärfe in der Adaption allein schon dadurch gemildert, dass die knapp 180 Seiten recht komprimiert die erste Hälfte des Romans wiedergeben, wobei die Sprechblasen überwiegend exakt der Textvorlage entsprechen. Bei den fanatischen Vertretern der Originaltreue dürfte das Erleichterung ausgelöst haben, für mich aber hat es die Freiheit der Gestaltung eindeutig blockiert. So sieht man überwiegend flächig illustrierte Figuren vor einfarbigem Hintergrund große Sprechblasen produzieren ‒ nun gut, nicht durchgängig einfarbig, Peters Laden hat eine absurde Orient-Tapete erhalten. Dabei zeigt Marc-Uwe Kling in seinen Büchern immer selbst, wie man kreativ und ironisch mit literarischen Vorlagen umgehen kann. Vielleicht versteht er bei dem Zugriff auf seine eigenen Werke weniger Spaß oder wusste nicht, wie er der anderen Gattung gerecht werden kann?

Das Cover ist vielversprechend und auch das erste Kapitel ansprechend illustriert. Mit einem Schwarm von Drohnen am nächtlichen Himmel, einer Flotte selbstfahrender Autos am Boden, aufdringlicher Neonreklame und einem unbestimmten Sepiabraun im Hintergrund führt Tallent hier zielsicher in die Ambivalenzen von QualityLand ein und zeigt, was eine ansprechende graphische Umsetzung hätte leisten können. Dieser kreative Start wird dann aber nur noch in den Werbeeinlagen gehalten, die im Roman rein textlich umgesetzt sind. Gerade hier zeigt sich wieder, dass die strikte Vorlage hemmend wirkt. Denn wie genau Bio oder Speck-FeSaZus ins Bild gebracht werden sollen, ist aus dem Roman überhaupt nicht zu erschließen und der glibberige Klumpen Fett, gerahmt von alpiner Landschaft, mit kleinen Heidelbeeren garniert, setzt die Absurdität dieses Kunstproduktes gekonnt um. Davon hätte man gerne mehr gesehen, aber es dominieren Charaktere im Manga-Stil, die scheinbar angetreten sind, um die Leere des einfarbigen Hintergrundes durch illustriertes Overacting zu kompensieren ‒ das mag der Comic-Tradition entsprechend, passt aber wenig zu Peter Arbeitslosers resignativer Melancholie.

Die Graphic Novel macht Spaß, weil QualityLand eine durchweg gelungene Satire ist, aber ein kreativer Zugang zu der bekannten Geschichte mit den Möglichkeiten des anderen Mediums wird kaum geboten.

Titelbild

Marc-Uwe Kling: QualityLand. Graphic Novel.
Verlag Voland & Quist, Berlin 2020.
176 verschieden gezählte Seiten , 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783863912239

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