Kinderbücher für das „Empowerment“

„Der kleine Hamster will nicht hamstern“ von Anne Hassel und Eva Künzel und Akiko Miyakoshis „Die Teestunde im Wald“ bieten mit viel Identifikationspotenzial lehrreiche Vorleseerlebnisse

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Carl-Auer Verlag ist vor allem für seine Veröffentlichungen in Sachen Psychologie, Coaching und Psychotherapie bekannt. Längst nicht so weit verbreitet ist das Wissen, dass es auch die Kinderbuch-Sparte „Carl-Auer Kids“ gibt. Allen Titeln dieser Reihe ist gemeinsam, dass sie Geschichten erzählen, in denen sich Kinder wiederfinden können – auch jenseits der in vielen Bilderbüchern propagierten heilen Welt mit intakter Kernfamilie und Omis im Schaukelstuhl.

Da gibt es nicht nur Vater-Mutter-Kind, sondern auch Trennungen. Die Oma wird mit der Zeit extrem vergesslich oder die Mutter umgibt tagelang eine graue Wolke der Niedergeschlagenheit… Gefühle wie Angst, Wut, Unsicherheit und Trauer haben ihren Platz, ebenso wie ganz unterschiedliche Charaktere, die von verspielten Drachen über schüchterne Hasen bis hin zu kleinen Eseln reichen, die lernen müssen, dass Schenken mindestens genauso toll ist wie selber behalten.

Dabei wird es weder kleinen Lesern noch großen Vorlesern langweilig, denn die Protagonisten finden clevere Lösungen für ihre Probleme. So erlebt man hier anrührende, heilsame Geschichten mit nachhaltig positiver Wirkung für die Seele, an deren Ende die Gewissheit steht: Du bist gut so wie du bist! Hier zwei Beispiele:

Vom Wert des Teilens

Das schön gestaltete Bilderbuch Der kleine Hamster will nicht hamstern zeigt Kindern auf spielerische Weise, wie wichtig es ist, zu teilen. „Hamster müssen hamstern, sonst sind es keine Hamster!“ Diesen Spruch muss sich der kleine Hamster tagtäglich von seinem Vater anhören. Unermüdlich ziehen die beiden los, um Früchte, Nüsse und Körner zu sammeln. Diese horten sie in der Vorratskammer, um gut über den Winter zu kommen, wenn sie zwischendurch hungrig aus dem Winterschlaf erwachen. Doch die anderen Tiere sind von ihrem Eifer nicht sonderlich erfreut, bleibt doch kaum noch ein Krümel für sie übrig. Der kleine Hamster hat Mitleid mit ihnen und gibt ihnen etwas vom gesammelten Überfluss ab. Das gefällt dem großen Hamster ganz und gar nicht. Er möchte lieber alles selbst behalten, denn sicher ist sicher! Aber auch er muss einsehen, dass es sinnlos ist, sich im Übermaß die Backen vollzustopfen, statt zu teilen. Denn am Ende haben die beiden ein großes Problem, bei dem sie ohne die Hilfe der anderen Tiere nicht zurechtkommen würden. – Und diese helfen gern, weil auch der kleine Hamster soziales Handeln bewiesen hat.

Das Buch ist schön bebildert und kommt humorvoll ganz ohne erhobenen Zeigefinger daher. Der kleine Hamster will nicht hamstern ist nicht nur eine anregende Lektüre für Kinder ab 3 Jahren, sondern würde sicherlich auch einigen Erwachsenen guttun, um zu lernen, dass gegenseitige Hilfe im menschlichen Miteinander zielführender ist als egoistische Alleingänge.

Ein ganz besonderer Ausflug

Kikkos Vater will die Oma besuchen, aber dann vergisst er zu Hause den Kuchen, den er ihr mitbringen soll. Die Mutter hat auch keine Zeit, sich darum zu kümmern. Deshalb beschließt die kleine Kikko, ganz allein dem Vater hinterherzugehen, damit der Kuchen doch noch zur Großmutter kommt. Stolz macht sich das Mädchen auf den Weg durch den winterlichen Wald, denn die Mutter findet, dass es alt genug ist, um alleine zu gehen. Dann jedoch fällt ihr leider der Kuchen in den Schnee und ist ganz zerdrückt. Außerdem stellt sie fest, dass sie gar nicht ihrem Vater, sondern einem großen Bären gefolgt ist! Als dieser ein Haus betritt, schaut sie neugierig durch das Fenster hinein und staunt. Dort ist eine außergewöhnliche Teegesellschaft versammelt, zu der sie prompt eingeladen wird…

Die Teestunde im Wald ist ein zurückhaltend-zart gezeichnetes Bilderbuch der japanischen Autorin und Illustratorin Akiko Miyakoshi, das in freundlichen, leisen Bildern von ganz großen Dingen erzählt: Vom Mutigsein, vom Umgang mit Missgeschicken, aber auch vom Selbstständigwerden gegenüber den Eltern und dem Selbstvertrauen, das man erlangt, wenn man etwas alleine schafft.

Trotz einiger Parallelen zum altbekannten Rotkäppchen muss Kikko hier zum Glück weder einen finsteren Wald noch böse Kreaturen fürchten, sondern lernt gefahrlos, mit neuem Terrain und unbekannten Situationen umzugehen. Das Ganze wirkt trotz pädagogischer Botschaft nicht schulmeisterlich. Die Figur Kikko, die zugleich Neugierde, vorsichtige Zurückhaltung wie auch Mut in sich vereint, macht es Kindern leicht, sich mit ihr zu identifizieren und mit Spannung die Wendungen der Geschichte mitzuerleben.

Titelbild

Anne Hassel / Eva Künzel: Der kleine Hamster will nicht hamstern.
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2020.
38 ungezählte Seiten,
ISBN-13: 9783968430126

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Akiko Miyakoshi: Die Teestunde im Wald.
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2019.
circa 32 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783849702804

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