Blut und Licht

Djaimilia Pereira de Almeidas Kurzroman „Im Auge der Pflanzen“ erforscht mit großer Sprachgewalt und kleiner Handlung die Schuld und mangelnde Sühne des Kapitän Celestino

Von Felix HaasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Felix Haas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die portugiesische Autorin mit angolanischen Wurzeln Djaimilia Pereira de Almeida ist mit ihren bislang sieben veröffentlichten Romanen, etlichen Essays und Magazinbeiträgen im portugiesischsprachigen Raum bereits wohl etabliert. Mit Im Auge der Pflanzen ist nun ihr erster Roman in deutscher Übersetzung im Unionsverlag erschien. Er besticht auf seinen wenig mehr als hundert Seiten vor allem durch seine lyrische Sprache und Gleichnisse. Eine Handlung findet er hingegen kaum.

Im Auge der Pflanzen erzählt die Geschichte des Kapitän Celestino, der als alter Mann in das Haus seiner verstorbenen Mutter zieht. In dem kleinen portugiesischen Dorf, wo er nun wieder lebt, ranken schnell allerhand Mythen und Gerüchte um ihn. Kinder wollen seine Geschichten hören und spähen über den Zaun in den verwunschenen Garten, der dem alten Kapitän in seinen letzten Jahren zum Lebensmittelpunkt wird.

Celestinos Leben hat es nicht an Brutalität gefehlt. In immer wiederkehrenden Erinnerungen zeigt uns die Autorin die immer selben Morde des Kapitäns auf. Doch werden diese Episoden, trotz ihrer Wiederkehr, genauso wenig ausgearbeitet wie Celestinos Beziehungen zu den Dorfbewohnern. Stattdessen fokussiert sich die Autorin auf die Natur und die Pflanzen des Kapitäns. Seine Pflanzen urteilen nicht über ihn. Sie sehen „ihn, wie ein Glasauge die Wolken vorüberziehen sieht. Sie und ihr Freund waren aus demselben Stoff, aus demselben erbarmungslosen Fleisch ohne Mitleid.“

Ein Auszug aus Raul Brandãos Die Fischer eröffnet Pereiras Roman und offenbart, dass ihr Kapitän und sein Leben nicht ihre Erfindung, sondern die des portugiesischen Altmeisters ist. In Pereiras Buch folgen wir nun Celestino, wie er altert, sich immer weiter in sich kehrt, mit den Geistern der Menschen lebt, die er getötet hat, ohne echte Reue zu verspüren. Seine Pflanzen und seine Opfer werden zu seiner Familie, die ihn begleitet, bis er schlussendlich vergessen wird und in Stille stirbt.

Es ist leicht, in Celestinos Morden die Kolonialverbrechen europäischer Grossmächte zu lesen und in seiner fehlenden Reue eine fehlende Bewältigung dieser alten Schuld. Bei diesem Gleichnis ist es insbesondere bezeichnend, dass das zentrale Problem des Romans ungelöst bleibt, Celestino und seine Verbrechen in Vergessenheit geraten, noch bevor er stirbt, ohne seine Schuld eingesehen zu haben.

Pereiras ergänzt ihre ohnehin lebhafte Prosa immer wieder auch durch Kurzdichtungen.

Die Blutblase erbricht mich, bis sie mit mir zusammen verschwindet. […]
Blut und Licht… Der Ort brennend bis zum Mond.

Im Auge der Pflanzen ist ein stilistisch ambitioniertes kleines Buch, welches ohne rechte Handlung dennoch lyrikaffine Leser für sich zu gewinnen weiß.

Titelbild

Djaimilia Pereira de Almeida: Im Auge der Pflanzen.
Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita.
Unionsverlag, Zürich 2022.
128 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783293005815

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