Schnittlauch, Donuts und andere Leckereien

Kathrin Weßlings „Sonnenhang“ ist eine Reise über sonnige Hänge, weg von der Einsamkeit

Von Anna NeyerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Neyer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Aber etwas an dem Satz fühlt sich so gut an wie heißes Wasser auf dem Kopf, wenn man gerade die Reste eines Uterus ausblutet.“ Katharina ist unglücklich. Auf ihrem Weg durch den Roman (der im Übrigen kein Reiseroman ist) und zu mehr Zufriedenheit begegnet sie in Altenheimen und Insellokalen neuen Menschen, frischen Perspektiven und alten Bekannten.

Schlägt man den Roman Sonnenhang von Kathrin Weßling auf, kommt das einem Boarding am Flughafen gleich. Für die Autorin und Journalistin ist es bereits der sechste Roman in einer Reihe von nicht unerfolgreichen Flügen in der Literaturwelt. Nachdem sie selbst die Ende 30 gerade hinter sich gebracht hat, nimmt sie uns LeserInnen nun mit, um Katharina zu begleiten – eine Frau Ende 30, die in ihrem Leben unzufrieden und von gesundheitlichen Problemen geprägt ist und etwas ändern muss und will. Erzählt wird von einem kritischen Abschnitt in ihrem Leben in dritter Person, als würden wir LeserInnen neben der Erzählerin sitzen und live zuschauen, wie Katharinas Leben sich in Höhepunkten, Tiefpunkten und allem dazwischen entwickelt. Phasen, in denen weniger passiert, werden angenehmerweise auch mal verkürzt dargestellt oder übersprungen. Katharina kämpft mit Einsamkeit, ihrem Körper und ihrer Identität als Single-Frau ohne Kinder. Mit ihr begeben wir uns auf die Reise nach dem Glück: steigen ins Flugzeug ein, heben ab und landen irgendwann wieder wohlbehalten auf einer sonnigen Insel zum Wohlfühlen. Zwischendrin gibt es einige Turbulenzen, doch über diese steuert Pilotin Weßling gekonnt hinweg.

Inhaltlich hat der Roman viel zu bieten. Mit Katharina hat die Schriftstellerin eine starke Frauenfigur erschaffen, die viele emotionale Facetten zeigt. Ihre Geschichte wirkt zwischendurch fast autobiografisch, so persönlich und nahbar ist sie geschrieben. Dabei werden ausreichend emotionale Höhen- und Tiefflüge angeboten, sodass die im Hintergrund verblassenden Nebenfiguren keine große Rolle spielen (müssen). Auch der Realismus des Romans ist erfrischend – es gibt kein 08/15 Happy End und es sind nicht alle auf einmal auf magische Weise glücklich. Dennoch können wir LeserInnen am Ende mit einem zufriedenen Lächeln das Flugzeug verlassen und das Buch zuklappen.

Zu Turbulenzen auf dem Flug kommt es, wenn unsere Pilotin zwischendurch den Kurs verliert und ein wenig zu ausschweifend wird. Die Strapazen des Feminismus, die als Frau und auch die des Single-Lebens ließen sich sicherlich an einigen Stellen kürzen, ohne, dass die zentrale (hier vereinfachte) Aussage „Es ist manchmal schwierig mit dem Feminismus/als Frau/als Single“ verloren gehen würde. Glücklicherweise findet Weßling aber schnell genug die Richtung wieder, sodass das Flugzeug diese Turbulenzen hinter sich lässt und die Freude an der Reise nicht verloren geht.

Der Roman bietet eine bunte Metaphern-Welt, die uns LeserInnen sanft auf die Reiseflughöhe schweben lässt. Egal ob bei Gefühlen oder Eindrücken, die Wahl der Worte zeigt sprachliches Feingefühl. Der sprechende Name „Schnittlauch“, der dem Ex-Freund beigegeben wird, oder die Beschreibung des eigenen Körpergefühls als „Donut“, weil sie sich fühlt, als hätte sie ein Loch in der Mitte, sind dabei nur einige Beispiele. „Katharina hatte den Eindruck, dass nur sie alleine zu Hause saß und alles in sich hineinstopfte, die ganzen Gefühle mit Käse überbacken und mit Mayonnaise gefüllt in sich hineinfraß.“ Die sprachlichen Bilder sind dem allgemein Bekannten und Alltagsleben entnommen und schaffen es dennoch, weder plump noch ausgelutscht zu wirken.

Alles in allem bietet Sonnenhang etwa 220 Seiten Wohlfühllektüre zum Mitfühlen, bissigen Humor und sprachliches Feingefühl. Hinzu kommt eine starke Frauenfigur, die keinen Mann braucht, aber einen möchte und und die ihre ganz eigene Form des Feminismus auslebt. Direkt, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen und dabei so persönlich, wie es nur wenige schaffen: Sonnenhang ist eine Leseempfehlung.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Kathrin Weßling: Sonnenhang. Roman.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2025.
224 Seiten, 23 EUR.
ISBN-13: 9783498003913

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