Dünnhäutige Dickhäuter?

Thorsten Becker's Tierparabel "Die Besänftigung"

Von Stefan FüllemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Füllemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In seinem neuesten Roman lässt Thorsten Becker die Menschheitsgeschichte aus tierischer Sicht, genauer gesagt aus Elefantensicht, erzählen. Doch warum gerade aus Sicht der Elefanten? Thorsten Becker war einer der Glücklichen, die sich im Auftrag des Goethe-Institutes in Indien aufhalten durften. Und wer sich dort mit der Geschichte Indiens und der seiner Elefanten auseinandersetzt, ist mit Sicherheit von diesen mächtigen, zugleich aber auch sanftmütigen Wesen angetan.

Becker bedient sich des adeligen und weisen Elefanten Susima, der "schwarze Makhna" um die Geschichte der Menschen zu erzählen. Es ist - dies sei schon eingangs erwähnt - für den Leser gewöhnungsbedürftig, dass Elefanten Geschichten erzählen und nicht Menschen.

Susima berichtet im Elefantengehege des Tempels zu Guruvayar von seinen Urahnen, die Geschichte erlebt und gemacht haben, ohne dass sie solche auch offenkundig geschrieben hätten. Sehr zum Ärger der Elefanten. Er erzählt von Liebesgeschichten zwischen Elefanten, dem Feldzug Alexander des Großen und dessen Rückzug aus Indien, dem Aufstieg und Fall des indischen Herrschers Candaschoka, dessen Schicksal, ganz im Sinne des Buches, eng mit dem eines Elefanten verbunden ist, sowie von Gautama Buddha, dem ersten Menschen der die Elefantensprache verstand.

Doch was ist Sinn und Zweck all dieser Erzählungen? Möchte Susima den anderen Elefanten nur die Zeit bis zum nächsten Sonnenaufgang vertreiben? Mit Sicherheit nicht! Er zeigt Ihnen, wie edel doch Elefanten sind und wie sehr sie als Vorbilder für die Menschen dienen könnten. Die "Dünnhäuter" können von den Elefanten lernen, "dass man stark sein kann und zugleich sanft, groß und doch gütig".

Für den Leser wird dies aber nicht sofort klar, denn Susima, dessen Erzählungen teils prophetische Züge annehmen, verliert sich immer wieder in ausufernden Erzählungen indischer Tradition. Von den unfreiwillig zuhörenden Elefanten wird er deshalb auch als Schwätzer bezeichnet, ein Urteil, welchem sich auch der ein oder andere Leser anschließen wird, angesichts des teilweise sprachlich mächtigen und uneben wirkenden Romans. Leider bleibt dieser Eindruck bestehen, auch wenn einen die sanfte Ironie von Thorsten Becker schmunzeln lässt. Unterhaltsamer wird der Roman dadurch aber nicht.

Bleibt trotzdem etwas zurück? Vielleicht die Erkenntnis, dass dickhäutig sein nicht die Immunität der Seele garantiert und auch "Dickhäuter" verwundbar sind, nicht nur körperlich.

Titelbild

Thorsten Becker: Die Besänftigung. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003.
208 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3498006193

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