Solide Informationsfülle
Ursula Rautenbergs "Sachlexikon des Buches" bietet jedoch keine neuen Erkenntnisse für Fachgelehrte
Von Ralf Georg Bogner
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseFür ein großes Thema steht im vorliegenden Band ein verlagstypisch kleines Format zur Verfügung. "Reclams Sachlexikon des Buches" präsentiert erste, grundlegende Informationen zur Geschichte und Gegenwart des Mediums Buch in allen seinen Facetten und Aspekten. Fragen der Distribution von Texten, der Verlagshistorie und der staatlichen Kommunikationskontrolle finden daher genauso Berücksichtigung wie etwa die Geschichte der Alphabetisierung und des Lesens, verschiedener Drucktechniken und Buchbindeverfahren wie auch bibliothekarisches Fach- und Institutionenwissen.
Obwohl der Band annähernd 600 Druckseiten umfasst, muss die aus der Breite des Gegenstands resultierende Informationsfülle auf relativ engem Raum komprimiert werden. Konsequenz ist die Wahl einer Schriftgröße, die manchem länger gedienten Wissenschaftler bei der Lektüre den Griff zur Lupe unvermeidlich machen dürfte. Auf solche Benutzergruppen ist das "Sachlexikon des Buches" freilich gar nicht vorrangig zugeschnitten. Es bietet einführende Informationen über das Buch, insbesondere für Studierende oder interessierte Laien, und keine neuen Erkenntnisse für Fachgelehrte - und diese Aufgabe kann der vorliegende Band, wie Stichproben immer wieder zeigen, zweifellos solide und zuverlässig erfüllen.
Grundlegendes Wissen zum Thema findet sich unter ungefähr 1.600 Lemmata abgelegt. Schon alleine diese Zahl in Relation zum Seitenumfang des Bandes lässt erkennen, dass das "Sachlexikon" durch eine eher kleinteilige Artikelstruktur geprägt ist. Es bietet eine immense Zahl an Einträgen zu relativ überschaubaren Fragestellungen. Viel häufiger wird auf andere, verwandte Lemmata verwiesen, als ein bestimmtes Thema innerhalb eines Artikels detailliert ausgeführt und vertieft. Die längsten Einträge umfassen daher gerade einmal drei oder vier Druckseiten - und auch dies nur ausnahmsweise. Hierbei handelt es sich um die circa zwei Dutzend Hauptartikel. Sie erscheinen im Gegensatz zu den übrigen Passagen des Bandes nicht zwei-, sondern einspaltig gesetzt und stellen zentrale Aspekte des Faches Buchwissenschaft, beispielsweise "Deutsche Nationalbibliographie", "Papier", "Preisbindung" oder "Zeitung", vor.
Alle Artikel sind übersichtlich gegliedert, klar formuliert, gut verständlich und reich an Informationen. Der Band enthält ausschließlich sachliche Lemmata. Personen- oder markenbezügliche Artikel, zum Beispiel zu Gutenberg oder zum Suhrkamp Verlag oder zu den Heidelberger Druckmaschinen, fehlen vollständig. Diese Entscheidung ist innerhalb der Programmatik des Bandes vernünftig und nachvollziehbar. Detaillierte Einzelinformationen zur Buchwissenschaft kann ein so kleines Nachschlagewerk nicht darreichen und muss hierfür auf die umfangreicheren Lexika wie das "Lexikon des gesamten Buchwesens" und die Spezialliteratur verweisen.
Manche Beschränkung hinsichtlich des engeren Gegenstandsbereiches des Bandes allerdings erscheint eigenartig, ja ärgerlich, wenn man den auffälligen Anteil an Artikeln zum Internet dagegenhält. Definiert man den Gegenstand der Buchwissenschaft über das Medium Buch, so haben Artikel über HTML, Hyperlinks, TCP/IP oder Webpages in einem einführenden Nachschlagewerk zu jener nichts zu suchen. Arbeitet man hingegen mit einem erweiterten Begriff von Buchwissenschaft, der sich ostentativ zu den Philologien und zur Medienwissenschaft öffnet - wogegen vieles spricht -, ist nicht einzusehen, warum nicht andere neue Medien mit einem partiell ebenfalls hohen Schrift- oder Sprachanteil wie das Fernsehen, der Teletext oder der Rundfunk genauso breite Berücksichtigung finden wie das Internet, sondern gänzlich ausgeschlossen bleiben.
Positiv zu vermerken bleibt, dass die Benutzung des Bandes unter pragmatischen Gesichtspunkten in der Regel angenehm und zufriedenstellend verläuft. Die Abkürzungen im lexikographischen Text bleiben auf das vernünftige und erforderliche Maß beschränkt, so dass dem Leser das ständige Nachschlagen des entsprechenden Verzeichnisses erspart wird. Die zahlreichen Abbildungen dienen in vielen Fällen der direkten Veranschaulichung von technischen Zusammenhängen und Details, die sprachlich schwer zu beschreiben sind, oder der historischen Illustration, gelegentlich auch der Belustigung. Längere Artikel sind mit knappen Literaturhinweisen versehen. Ein thematisch gegliedertes Verzeichnis zentraler Titel der Forschung beschließt den Band.
|
||