Eine Enttäuschung

Mirjam Presslers "Rosengift"

Von Ingrid IcklerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ingrid Ickler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mirjam Pressler - der Name weckt Erwartungen: mehrfache Preisträgerin wichtiger Literaturpreise, Autorin anspruchsvoller Kinderbücher, hervorragende Übersetzerin. Und auch der Plot von "Rosengift" klingt viel versprechend: Eine Erfolgsautorin, der ihr Leben langsam entgleitet, verquickt mit der Handlung des Romans, an dem sie gerade schreibt.

Doch bereits die ersten Seiten von "Rosengift" sind eine Enttäuschung. In das Leben von Lisa Bratt, einer erfolgreichen Kriminalschriftstellerin, stolpert plötzlich eine junge Frau, die sie - ganz gegen ihre Gewohnheit - bei sich aufnimmt. Im Rückblick erzählt sie, wie sich ihr Alltag danach Schritt für Schritt verändert. Anfangs empfindet sie die Gegenwart des Mädchens als inspirierend und bereichernd, doch nachdem sie feststellen muss, dass ihr Schützling zu Alkoholexzessen neigt, wendet sich das Blatt. Ihre eigene Kindheit, ihre alkoholkranke Mutter und der Schatten ihrer verstorbenen Zwillingsschwester stürzen sie in eine emotionale Krise. Die Kräfte zwischen der selbstsicheren, unabhängigen und kontrollierten Lisa Bratt und der gescheiterten jungen Frau verschieben sich. Erst die Affäre, die ihre Mitbewohnerin mit Lisas Geliebtem hat, macht der Situation ein Ende - auf eine höchst unkonventionelle Weise.

Mirjam Pressler schildert minutiös den Alltag der beiden Frauen, die Gefühle Lisa Bratts, die Schatten ihrer Vergangenheit. Doch diese klinische Betrachtungsweise lässt die Figuren seltsam leblos erscheinen. Die Protagonistin ist zu abgeklärt um zu fesseln, ihre Mitbewohnerin bleibt fremd. Pressler braucht viele Worte und doch trifft sie das Wesentliche nicht. Vielleicht hätte hier eine auktoriale Erzählperspektive mehr Ausgewogenheit geschaffen.

Auch die Möglichkeit, die Handlung mit einem 'Roman im Roman' zu verbinden, lässt die Autorin weitgehend ungenutzt. Und so hofft der Leser auf den Höhepunkt der Handlung, den Gipfel der so lange aufgebauten Spannung - der aber nicht kommt.

Dass Mirjam Pressler schreiben kann, hat sie sattsam bewiesen. Aus ihrer Feder stammen einfühlsame Porträts wie "Malka Mai" oder "Bitterschokolade". "Rosengift" gehört leider nicht dazu, vielleicht ist Belletristik für Erwachsene einfach nicht ihr Genre. Hoffen wir auf das nächste Kinderbuch!

Titelbild

Mirjam Pressler: Rosengift. Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2004.
249 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 382700554X

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