Anschlag auf die Nüchternheit

Über Michael Krügers und Ekkehard Faudes klammheimlichen Versuch, die literaturwissenschaftliche Trockenheit zu liquidieren

Von Achim KüpperRSS-Newsfeed neuer Artikel von Achim Küpper

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wer schreibt, trinkt auch." - Was so beginnt, soll wohl nicht ganz für voll genommen werden. Und tatsächlich, ein näherer Blick auf Michael Krügers und Ekkehard Faudes kleinen Band mit dem programmatischen Titel "Literatur & Alkohol" zeigt sehr schnell, dass es sich hier keinesfalls um eine bierernste Studie handeln kann: Dem eigentlichen "Text und seinen hundert Anmerkungen" folgen brav und in ordentlicher Reihenfolge ein "Verzeichnis der zitierten real existierenden sowie der jederzeit noch möglichen Literatur" und ein sachgerechtes "Register", das über nützliche Dinge wie "Menschen, Biere, Sensationen" informiert.

In dem knappen Haupttext liefert Michael Krüger einige Ausschweifungen zu berühmten Trinkern der Weltliteratur, wie Hemingway oder Faulkner, Roth oder Johnson, sowie abstruse "Forschungsergebnisse" zum Verhältnis zwischen Alkoholkonsum und Schreib- bzw. Leserausch. Ergänzt wird der Haupttext durch die noch abstruseren Anmerkungen Ekkehard Faudes. Der ganze Band gestaltet sich damit als Witz. Inhaltlich Hochprozentiges oder ernsthaft Geistreiches ist darin, obwohl das Thema tatsächlich prickelnd ist, freilich kaum zu finden. Schade eigentlich.

Was die Autoren hier sprichwörtlich aufs Korn nehmen, sind die ihrer Ansicht nach zum Teil wohl allzu nüchternen Ambitionen und etwas abgestandenen Praktiken der puren, trockenen Literaturwissenschaft.

"Literatur & Alkohol", das sind Fach- und Lachgeschichten für Literaturwissenschaftler. Wer also ein Witzbuch für eingesessene Philologen braucht, dem sei der Band empfohlen. Allen anderen aber muss es nachgesehen werden, wenn ein ekstatischer Kaufrausch ausbleibt und auch ihr Urteil womöglich durchaus schwankend ist. Und dennoch: Insgesamt kann ein Blick in den Band wohl nicht schaden, da hier mit Schmunzeln und einem Augenzwinkern doch immerhin auf so manche kleinen Eitelkeiten eines Faches hingedeutet wird, das sich vielleicht tatsächlich manchmal gerne allzu ernst nimmt.

Und was ist nun die Moral von der Geschicht? Richten wir dazu einmal den Blick auf den pointierten Schluss der 'Studie': "Aus alledem folgt, was wir immer schon wussten: Eine Kultur, die nur das eine fördert - das Lesen oder das Trinken -, wird früher oder später austrocknen bzw. ertrinken. Wer zu viel liest, ohne ständig zu spülen, muss dumm werden; wer zu viel trinkt, ohne das Getrunkene lesend zu verarbeiten, wird in der Gosse landen. Nur beides erhält eine Kultur; nur beides zusammen ist Kultur."

In diesem Sinne: Wohl bekomm's!


Titelbild

Michael Krüger / Ekkehard Faude: Literatur und Alkohol. Liquide Grundlagen des Buchstaben-Rausches.
Libelle Verlag, Lengwil 2004.
62 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-10: 3909081428

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