Rilkes früher Gedichtband „Mir zur Feier“ war ein Umbruch in seinem Werk
Zum Rilke-Jubiläum ist der Band in seiner ursprünglichen Gestaltung erschienen
Von Manfred Orlick
Rainer Maria Rilke (1875-1926) hatte in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre schon einige Lyrikbände (darunter Larenopfer (1895) oder Traumgekrönt (1896)) veröffentlicht, ehe 1899 seine Sammlung Mir zur Feier im Berliner Verlag von Georg Heinrich Meyer erschien, die der Dichter als sein „eigentlich erstes Buch“ bezeichnete. Die Gedichte entstanden größtenteils Ende 1897 in Berlin, wohin er der Literatin Lou Andreas-Salomé (1861-1937) gefolgt war, sowie im Frühjahr 1898 während einer Reise in die Toskana.
Mir zur Feier war der bis dahin umfangreichste Gedichtband. Die Sammlung hatte Rilke selber zusammengestellt und zehn Jahre später noch einmal überarbeitet, bevor sie dann 1909 unter dem Titel Frühe Gedichte erschien. Der Gedichtband gliedert sich in mehrere Abteilungen: Beichten, Landschaft, Lieder der Mädchen, Gebete der Mädchen zur Maria und Im All-Einen. Die Gebete der Mädchen zur Maria umfassen neben einem vorangestellten Motto insgesamt 16 Gedichte, in denen Maria oft als Trostspenderin fungiert.
Die Gedichte, die der 23-jährige Rilke in dieser Sammlung verarbeitete, waren zwar zumeist ich-bezogen und reflektierten seine eigenen Gedanken, Gefühle und Erlebnisse. Dennoch markierte die Sammlung einen Aufbruch und zugleich einen Umbruch in seinem Schaffen. Hier experimentierte Rilke mit unterschiedlichen lyrischen Stilen. Er behandelte in zahlreichen Gedichten biblische und sakrale Motive sowie das Thema Engel und setzte sich mit dem Unbegreiflichen und der Nacht auseinander. Damit nahm er spätere Themen vorweg.
Der Worpsweder Maler und Schriftsteller Heinrich Vogeler (1872-1942), mit dem Rilke seit einigen Treffen in Worpswede eine enge Freundschaft verband, illustrierte den Band mit linearen Blumenornamenten und Vignetten. Mit diesen Jugendstil-Illustrationen stellte der Gedichtband ein kleines bibliophiles Kunstwerk dar. Mit Rilkes frühen, eindrucksvollen Gedichten und dem floralen Rahmen handelte es sich um ein bedeutendes Beispiel für die Verbindung von Dichtung und bildender Kunst der damaligen Zeit.
Die Veröffentlichung wurde auch durch einen Druckkostenzuschuss der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen ermöglicht, die 1891 in Prag gegründet wurde.
Zum bevorstehenden Rilke-Jubiläum (150. Geburtstag am 4. Dezember 2025 und 100. Todestag am 29. Dezember 2026) hat der Schwabe Verlag den Gedichtband Mir zur Feier herausgebracht. Die Neuerscheinung wird durch das umfangreiche Nachwort „Mein eigentlich erstes Buch“ der Herausgeber Gerhard Mayer und Erich Unglaub ergänzt. Die beiden langjährigen Mitglieder der Rilke-Gesellschaft beleuchten ausführlich Rilkes dichterische Anfänge sowie die Entstehung und die Schwierigkeiten bei der Publikation des Gedichtbandes. Außerdem war es ihnen ein großes Anliegen, dass Rilkes frühes Werk in seiner ursprünglichen Form wieder aufgelegt wurde, sodass sich heutige Leser*innen einen Eindruck von Text und Gestaltung von dem Erstdruck aus dem Jahre 1899 machen können.
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