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Ein Roadtrip bis nach Hamburg-Altona

Von Joanna MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Joanna Meißner

1. so einfach, dass es keines besonderen geistigen Aufwands bedarf, nichts weiter erfordert, leicht zu bewältigen ist; unkompliziert

2. (oft abwertend) in seiner Beschaffenheit anspruchslos-einfach; nur eben das Übliche und Notwendigste aufweisend; schlicht

3. (abwertend) einfältig, beschränkt

(Duden)

Barnabas, der lediglich Simpel genannt wird, ist namensgebende Hauptperson des Films von Regisseur Markus Goller. Nach dem Tod seiner Mutter soll Simpel aufgrund seiner psychischen Erkrankung in ein Heim gebracht werden. Um das und somit eine Trennung von seinem Bruder Ben zu verhindern, machen die beiden sich gemeinsam auf die Suche nach ihrem Vater (Devid Striesow) in Hamburg. Dieser lebt inzwischen mit seiner neuen Frau Clara (Claudia Mehnert) und ihren Kindern zusammen und ist nach 15 Jahren zunächst hoch erfreut, Ben endlich wieder zu sehen. Er bietet ihm an, ihn in seiner neuen Familie aufzunehmen. Jedoch bezieht sich dieses Angebot nur auf Ben und nicht auf Simpel. Der aufkommende Konflikt treibt einen Keil zwischen Ben und seinen Bruder, sodass dieser nach einem heftigen Streit in eine S-Bahn steigt und ohne Ben davonfährt.

Simpel (2017) wird zum Roadmovie mit Frederick Lau als Ben und David Kross als Barnabas. Der Film basiert auf dem gleichnamigen französischen Roman von Marie-Aude Murail (2009). Der Roadtrip der beiden Brüder gestaltet sich sowohl als lustiges wie auch tragisches Erlebnis. Dass die Verfilmung nicht lediglich eine seichte Every-Day-Komödie ist, sondern an einigen Stellen durchaus Tiefgang aufweist, liegt unter anderem an der Sensibilität, mit der Regisseur Markus Groller zwischen Komik und Tragik balanciert. Besonders deutlich wird diese Balance an den Hauptcharakteren Simpel und Ben. David Kross (Simpel) hat, um sich auf seine Rolle vorzubereiten, einige Zeit im Behindertenheim verbracht. Er hat sich einen schleppenden Gang antrainiert und redet mit schwerer Zunge. Wirklich bewundernswert ist jedoch die Fähigkeit des Schauspielers, eine breite Palette menschlicher Emotionen durch seine Mimik widerzuspiegeln. Wenn er Ben seine Zuneigung beim abendlichen Kuscheln zeigt, wirkt er ebenso arglos wie ein Kind. Frederick Lau bildet den sorgenvollen, in seinen Gedanken vertieften Gegensatz zu Simpel. Über seine Zuneigung und Fürsorge gegenüber sowohl seinem Bruder als auch seiner Mutter, die an Krebs leidet, vergisst er sein eigenes Leben. Er ist nie auf Reisen gegangen, lernt keine Frauen kennen und verzichtet auf jegliche eigenen Hobbys. Lediglich das Wohlergehen von Simpel liegt ihm am Herzen. Frederick Lau gelingt es, einen schüchternen Mann darzustellen, der zu viel Angst hat, sich dem Leben zu stellen, und sich lieber hinter seinen Pflichten als Bruder vor der Außenwelt versteckt. Wer in dieser Geschichte wirklich wen braucht – diese Frage beantwortet der Film durchweg ambivalent.

Erst der gemeinsame Roadtrip bringt beide Protagonisten an ihre jeweiligen Grenzen, denn auch in Simpel steht neben dem eigentlichen Reiseziel auch das klassische Roadmovie-Motiv der Selbstfindung, besonders von Ben, im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird die Stadt Hamburg mit Großaufnahmen und eindrucksvollem Bildmaterial als dritter Protagonist des Films präsentiert. Die Großstadt birgt für Ben und Simpel ebenso viele Herausforderungen wie neue Freundschaften mit der Medizinstudentin Aria (Emilia Schüle) und dem Sanitäter Enzo (Axel Stein), und so finden beide Charaktere – wenn auch etwas vorhersehbar – Liebe und Zuneigung auch außerhalb ihrer innigen Beziehung.

Simpel

Deutschland 2017
Regie: Markus Goller
Darsteller*innen: David Kross, Frederick Lau, Emilia Schüle, Claudia Mehnert, Devid Striesow, Axel Stein, Annette Frier
Spieldauer: 114 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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