Eine Mischung aus biografischen Elementen, Zitaten und persönlichen Anmerkungen

Zum 200. Geburtstag von Fjodor M. Dostojewski legen Markus Spieker und David Bühne mit „Rock me, Dostojewski – Poet. Prophet. Psychologe. Punk“ die ‚ultimative‘ Biografie vor

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Mit Dostojewski kann man nichts falsch machen“ – so das Motto der Neuerscheinung Rock Me, Dostojewski. Und als Beweis führen die beiden Autoren Markus Spieker und David Bühne eine Anekdote über Marilyn Monroe an. Als die Schauspielerin sich Anfang der 1950er Jahre bei dem Regisseur Samuel Fuller um eine Filmrolle bewarb, erschien sie, um Eindruck zu schinden, mit einem dicken Dostojewski-Roman unter dem Arm zum Vorsprechen. Der Name stand schließlich für intellektuellen Tiefgang.

Trifft das heute noch zu? Dieser Frage und der „Enträtselung Dostojewskis“ gehen die beiden Autoren nach. Dabei sind beide keine Literaturwissenschaftler. Markus Spieker ist gelernter Historiker und Chefreporter beim MDR und hat schon zahlreiche Bücher verfasst, David Bühne ist Sportwissenschaftler und Kampfsport-Fan. Doch bei Dostojewski, den sie auf den über 500 Seiten überschwänglich mit Superlativen feiern, sind sie „ein Herz und eine Seele“.

In zwanzig Kapiteln legen sie keine gewöhnliche Biografie vor, denn da gibt es ihrer Ansicht nach kaum noch neue Erkenntnisse. Vielmehr verstehen sie ihr Buch als eine Gesamtschau der Weisheiten, die Dostojewski uns mitzuteilen hat. Die Kapitel folgen zwar einer chronologischen Anordnung, trotzdem geht es „vor und zurück in seinem Leben, hin und her zwischen seinen privaten Notizen und seinen veröffentlichten Werken“. Dazu kommen zahlreiche Äußerungen und Briefe von Dostojewski Zeitgenossen. Und so besteht die Neuerscheinung zu großen Teilen aus Zitaten und längeren Auszügen aus seinen Werken.

Bereits das grellbunte, poppige Cover und der Untertitel Poet. Prophet. Psychologe. Punk. machen klar, Dostojewski rockt auch im 21. Jahrhundert. Besonders ausführlich beschäftigt sich das Autoren-Duo mit Dostojewskis christlichem Glauben, der immer wieder starken Zweifeln ausgesetzt war. Nicht von ungefähr beschäftigte Dostojewski in der Bibel, neben den Evangelien insbesondere das Buch, das sich vorrangig mit dem Zweifel beschäftigt: Hiob.

Dostojewski hat weit über zehntausend Seiten hinterlassen, den Autoren geht es aber nicht darum, was er geschrieben hat. Sie diskutieren seinen kreativen Prozess und sein Erfolgsgeheimnis. Er beherrschte die Kunst des sogenannten „Cliffhangers“, indem er am Ende vieler Kapitel für den Leser eine spannungsvolle Erwartung aufbaute. Diese Vorgehensweise war auch deshalb wichtig, weil seine Romane zunächst als Fortsetzungsgeschichten konzipiert waren. Die Leser sollten auf die nächste Folge gespannt sein. Dabei wurden sie von Dostojewski nicht geschont. Er schreckte vor nichts zurück und schilderte das Dunkelste und Schmutzigste. Doch entgegen der gängigen Annahme, Dostojewskis Literatur sei „schwer verdaulich und spaßbefreit“, vertreten die Autoren das Gegenteil, dass „Dostojewskis Stil – vielleicht abgesehen von seiner Weitschweifigkeit und der manchmal unübersichtlichen Vielzahl der Charaktere – leicht zugänglich ist, seine Schreibe flott und direkt.“

Die Mischung aus den biografischen Elementen im historischen Kontext, der großen Anzahl von Zitaten und den persönlichen Anmerkungen zu den Werken Dostojewskis machen den Reiz dieser Neuerscheinung aus, mit der die beiden Dostojewski-Fans das Interesse vor allem bei jüngeren Leuten wecken wollen. Die Lektüre kann „der Anfang einer wunderbaren Freundschaft sein“.

Titelbild

Markus Spieker / David Bühne: Rock Me, Dostojewski! Poet. Prophet. Psychologe. Punk.
fontis, Basel 2021.
560 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783038482246

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