Vorbemerkungen zum Schwerpunkt über Franz Kafka
Wohl zu keinem Gedenktag anlässlich von runden Geburts- und Todestagen von Autorinnen und Autoren ist in Zeitungen und Verlagen, im Hörfunk und im Fernsehen sowie im Internet bisher so viel veröffentlicht worden wie zum 100. Todestag von Franz Kafka am 3. Juni 2024.
In literaturkritik.de haben wir ihm bereits in der Januar-Ausgabe einen Schwerpunkt gewidmet und dabei auch auf zahlreiche Artikel hingewiesen, die seit dem Jahr 2000 in unserer Zeitschrift über Kafka erschienen sind. In der April-Ausgabe sind zwei weitere Rezensionen (von Wilfried Ihrig und Martin Lowsky) zu neuen Büchern über Kafka erschienen und in unserem Verlag LiteraturWissenschaft.de kürzlich zwei in diesem Schwerpunkt unten angezeigte Bände mit Aufsatzsammlungen über ihn. Der Band von Marcel Reich-Ranicki basiert auf einer Wertschätzung, die er 1985 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung so formulierte: Neben Thomas Mann gehöre Kafka zu den beiden Autoren, „die ich als die größten Schriftsteller unseres Jahrhunderts bewundere“. Zu den am meisten bewunderten Schriftstellern gehört Kafka, wie die vielen Veröffentlichungen zu seinem 100. Todestag und auch die in dem Schwerpunkt dieser Ausgabe zeigen, weiterhin im 21. Jahrhundert.
Hoch geschätzt und geliebt wurde Kafka, dessen Werke erst viele Jahre nach seinem Tod eine weltweite Verbreitung fanden, von etlichen Freunden und Freundinnen schon zu Lebzeiten. Der den Schwerpunkt dieser Ausgabe einleitende Essay von Dieter Lamping berichtet über Kafkas letzte große Liebe vor seinem Tod. Im Jahr danach stellte sich seine Geliebte, die junge Ostjüdin Dora Diamant, einem jüdischen Autor mit den Worten vor: „Genau genommen bin ich Franz Kafkas Frau.“ Im Jahr vor ihrem eigenen Tod am 15. August 1952 schrieb sie im Krankenhaus Gedanken und Erinnerungen an Kafka auf.
Thomas Anz