Vorbemerkungen zur Februar-Ausgabe 2023 von literaturkritik.de über Krieg und Frieden

Der Themenschwerpunkt über „Krieg und Frieden“ in dieser Ausgabe setzt die Schwerpunkte fort, mit denen literaturkritik.de seit einem Jahr auf die traurigen Ereignisse nach dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 in der Ukraine reagiert hat. In der März-Ausgabe 2022 erinnerten wir, so die Vorbemerkungen dazu, „vor allem an Songs, Gedichte und Romane, die im Zusammenhang mit früheren Kriegen entstanden sind, zu Vergleichen mit dem neuen Krieg in der Ukraine animieren und dabei zum Engagement für den Frieden. Das gilt auch für den Stil der verbalen Streitigkeiten, die im Hinblick auf angemessene Verhaltensweisen in der gegenwärtigen Situation kaum zu vermeiden sind, doch eine anregende und letztlich friedliche Konsensbildung anstreben sollten.“

Zum Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine will China Vorschläge zur Beendigung des Krieges in der Ukraine präsentieren. Im Januar 2023 hatte Argentiniens Präsident Alberto Fernández dem deutschen Bundeskanzler seinen Wunsch nach einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine vorgetragen, bei der die Feindseligkeiten durch Diplomatie eingedämmt und dem Verlust von Menschenleben ein Ende gesetzt werden muss und „an dem wir gemeinsam arbeiten müssen“. Eingebunden sind diese Vorschläge und Wünsche in Streitigkeiten über westliche Waffenlieferungen an die Ukraine, Angriffs- und Verteidigungskämpfe, gegenseitige Sanktionen und Verhandlungsbereitschaften der am Krieg beteiligten Länder.

Wünschenswert wäre jedenfalls zunächst ein sofortiger Waffenstillstand mit anschließenden Versuchen zu internationalen Friedensverhandlungen, auch wenn deren Ergebnisse ungewiss bleiben.

Die Beiträge in dieser Februar-Ausgabe über „Krieg und Frieden“ erinnern erneut an frühere Auseinandersetzungen mit solchen Konflikten und an Versuche, sie zu lösen. Ein Beispiel dafür ist Lessings Ringparabel in seinem letzten, zur Zeit des Dritten, des kriegerischen Kreuzzuges in Jerusalem spielenden Drama Nathan der Weise, ein weiteres liefern Aufsätze und Briefe des Lessing-Verehrers Sigmund Freud im Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg. Am 30. Juli 1932 beginnt der Physiker Albert Einstein einen Brief an Freud so:

Lieber Herr Freud!

Ich bin glücklich darüber, dass ich durch die Anregung des Völkerbundes und seines Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit in Paris, in freiem Meinungsaustausch mit einer Person meiner Wahl ein frei gewähltes Problem zu erörtern, eine einzigartige Gelegenheit erhalte, mich mit Ihnen über diejenige Frage zu unterhalten, die mir beim gegenwärtigen Stande der Dinge als die wichtigste der Zivilisation erscheint: Gibt es einen Weg, die Menschen von dem Verhängnis des Krieges zu befreien? […]

Ein anderer Beitrag geht ebenfalls wiederholt auf Freud ein und vergleicht die gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit dem Krieg in der Ukraine mit früheren psychischen Mechanismen der Selbstwertstabilisierungen, Machtansprüche und Sinnstiftungen in früheren Friedens- und in Kriegszeiten. Und ein Essay setzt sich ausführlich mit einem 2021 erschienenen Buch über Spannungen im japanischen Kaiserhaus. Prinzen und Oppositionelle in Krisen-, Kriegs- und Besatzungszeit 1930-1951 auseinander.

Im Namen der Redaktionen von literaturkritik.de an den Universitäten in Mainz, Duisburg-Essen und Marburg wünscht allen Menschen in der Ukraine und auch unseren Leserinnen und Lesern ein friedlicheres Jahr 2023

Thomas Anz