„Die Avantgarde gibt nicht auf“. Vier Kapitel Expertisen und ein Ausblick zum ‚Projekt‘ avantgardistische Kunst von Walter Fähnders

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Wie die künstlerische Avantgarde ihren Anspruch einer gänzlich neuen, das menschliche und gesellschaftliche Leben verändernden Kunst formuliert und wie sie ihr Projekt umzusetzen versucht hat, ist Thema und kritischer Untersuchungsgegenstand einer unlängst erschienenen, Projekt Avantgarde betitelten Studie von Walter Fähnders. Um zu zeigen, wie das apostrophierte Projekt historisch funktionierte, werden zunächst künstlerisches Selbstverständnis und avantgardistische Theorie, die seit dem europaweiten Aufbruch der Avantgardebewegungen im frühen 20. Jahrhundert entworfen wurden, einführend vorgestellt. Weitere Kapitel behandeln Neubestimmung und Führungsanspruch des avantgardistischen Künstlers sowie Aspekte seines Publikumsbezugs und sodann das Manifest als Topgattung der Avantgarde und der einzelnen Ismen. Schließlich geben Ausführungen zur avantgardistischen Auffassung von Arbeit und Arbeitsverweigerung Einblicke in ein bisher noch wenig erforschtes Aktionsfeld der Avantgarde. Mit eingehenderen Hinweisen sind Franz Jung, Kasimir Malewitsch, Kurt Schwitters und Heinrich Vogeler bedacht. Abschließend wird nach aktuellen Perspektiven des so genannten Projekts Avantgarde zwischen angeblichem Scheitern und fortwährender Präsenz gefragt.  

Als Essentials des avantgardistischen Projekts sind deren vier vorgeschlagen: erstens der Gruppen-, Bewegungs- und Ismencharakter; zweitens die Traditionsfeindschaft und intendierte ästhetische Innovation; drittens die performative Aufhebung des Werkbegriffs und viertens die Überführung von Kunst in Lebens- und soziale Praxis. Anders als das auf Vollendung aufklärerischer Vorhaben angelegte und daher vorerst unvollendet gebliebene ‚Projekt der Moderne‘ (Jürgen Habermas) sei das Projekt Avantgarde konzeptionell und methodisch als ein „aus der Zukunft schon in die Gegenwart hereingeholtes antizipatorisches Potenzial begreifen.“

Walter Fähnders‘ quellenreiche Darstellung bietet eine detaillierte und kompakte Übersicht über Versuche der Avantgarden, „von der Kunst aus die Welt zu verändern – wie anmaßend und utopisch, wie erfolgreich oder vergeblich oder nachhaltig auch immer.“ Dem Band sind 21 Abbildungen, ein reichhaltiges Literaturverzeichnis und ein Personenregister beigefügt.

M. St.

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Titelbild

Walter Fähnders: Projekt Avantgarde. Avantgardebegriff und avantgardistischer Künstler, Manifeste und avantgardistische Arbeit.
(Moderne-Studien Bd. 23).
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2019.
214 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783849813109

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